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Steigerung bei schweren Risikien um bis zu 500 Prozent · Marsh-Deutschland-Chef Felix Hufeld im FTD-Interview

Posted By Herbert Fromme On 10. Dezember 2003 In Archiv,RTF Import | No Comments | Drucken

Von Herbert Fromme, Köln Der „deutsche Sonderweg“ in der Managerhaftung birgt nach Ansicht von Felix Hufeld, Deutschland-Chef des weltweit führenden Versicherungsmaklers Marsh, große Probleme für Versicherer und ihre Kunden. Die Diskussion um ordentliche Unternehmensführung (Corporate Governance) richte die Aufmerksamkeit auf die Zahlung eines hohen Selbstbehalts durch die betroffenen Manager, wenn es zu einem Schaden in der so genannten Directors‘ & Officers‘ Insurance (D&O) kommt.

„Das droht die Diskussion über das Konzept der D&O-Versicherung auf ein völlig falsches Gleis zu bringen“, sagte Hufeld der FTD. „Die zentrale Sorge sollte sein, ob ein Unternehmen überhaupt eine angemessene Deckung für seine Manager und Aufsichtsräte hat.“

Mit der D&O-Versicherung schützen sich Vorstände und Aufsichtsräte gegen Ansprüche, die wegen ihrer Berufs- oder Aufsichtstätigkeit gegen sie gestellt werden können. Bis zur Liberalisierung 1994 zeichneten nur US-Versicherer das Geschäft in Deutschland, seitdem auch einheimische Gesellschaften. „Der deutsche Markt verabschiedet sich von der Durchsetzung anglo-amerikanischer Prinzipien in diesem Bereich“, kritisierte Horst Ihlas, Marsh-Spezialist für das D&O-Geschäft. „Der Fokus auf den Selbstbehalt führt zu allen möglichen Problemen.“

Die Kommission unter dem früheren ThyssenKrupp-Chef Gerhard Cromme, die die Bundesregierung in Corporate-Governance-Fragen berät, trete für einen „angemessenen Selbstbehalt“ ein. „Was ist angemessen?“, fragte Ihlas. „Sind das drei Monatsgehälter oder mehr? Welcher Selbstbehalt gilt für den Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat?“

Der Markt hat in den letzten Jahren zahlreiche Großschäden hinnehmen müssen. Prominente Fälle waren Philipp Holzmann, die Bankgesellschaft Berlin, die Deutsche Telekom und die Deutsche Lufthansa. Rund 220 Mio. Euro kann die Versicherer ein Vergleich zwischen DaimlerChrysler und unzufriedenen Aktionären kosten, die sich bei der Übernahme des US-Autobauers durch die Schwaben getäuscht fühlten.

„Die Preise steigen bei schweren Risiken gerade um 100 bis 500 Prozent“, sagte Ihlas. Das gelte für Manager in Unternehmen, die börsennotiert sind, hohe Produkthaftungsrisiken sowie möglicherweise Asbestprobleme haben. Bei Managern und Aufsichtsräten in kleineren Unternehmen kletterten die Preise um 30 Prozent. „Es gibt aber keinen Deckungsnotstand. Es trifft nicht zu, dass Unternehmen in großem Stil keine Versicherung finden.“

Ein besonderes Problem im deutschen Markt ist gerade die von deutschen Versicherern großzügig gewährte Innendeckung, die Manager jahrelang auch gegen Ansprüche aus dem eigenen Unternehmen schützt. Die Folge: Unternehmen suchen bei Problemen nach Management-Entscheidungen wie der Übernahme einer unprofitablen Gesellschaft mit Zustimmung des Betroffenen Schadenersatz aus der D&O-Deckung.

„Jetzt versuchen die meisten Gesellschaften, die Innendeckung herauszunehmen oder neue Klauseln durchzusetzen“, sagte Ihlas. Dazu gehören die Gerichts- und Trennungsklausel. Nach ersterer zahlt ein Versicherer nur, wenn der Anspruch vor Gericht eingeklagt wurde, es also keinen außergerichtlichen Vergleich zwischen Manager und Unternehmen gab. Laut Trennungsklausel muss der Betroffene ausgeschieden sein, ehe der Versicherer zahlt.

Deutscher Marktführer ist nach wie vor der US-Versicherer AIG. Zu den großen Teilnehmern gehören Allianz, Chubb und Gerling. Ihlas und Hufeld sind vorsichtig mit der Schätzung des Gesamtvolumens. „Rund 300 Mio. Euro werden es schon sein“, sagte Ihlas. Die Preisentwicklung werde in der D&O-Deckung noch eine ganze Weile nach oben zeigen, erwartet er.

Zitat:

„Die Diskussion droht auf ein falsches Gleis zu geraten“ – Felix Hufeld, Marsh

Bild(er):

DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp gestern vor dem Gerichtsgebäude in Wilmington im US-Bundesstaat Delaware, wo er sich wegen einer Klage von Chrysler-Großaktionär Kirk Kerkorian verantworten muss. Ein Vergleich mit unzufriedenen Anteilseignern könnte Versicherer Millionen kosten – Reuters/Tim Shaffer; Attenzione/Juelich

Quelle: Financial Times Deutschland


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