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Die Deutsche Bank ist gegen einen Angriff ausländischer Investoren auf ihren Heimatmarkt nur schlecht gerüstet

Posted By Herbert Fromme On 22. Januar 2004 In Archiv,RTF Import | No Comments | Drucken

Von Sven Clausen und Claudia Wanner, Frankfurt, und Herbert Fromme, Köln Gestern hat er das erste Mal auf dem schwarzen Sessel der Anklagebank im Saal L 111 des Düsseldorfer Landgerichts Platz genommen. In den kommenden Wochen wird Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann seine Anwesenheitspflicht im Mannesmann-Prozess jeweils zwei Tage kosten. Wertvolle Arbeitszeit, die dem bestbezahlten Manager der Republik fehlt, um sein Haus in schwierigen Zeiten zu führen. „Und mit den zwei Tagen im Gericht ist es ja nicht getan“, feixen bereits Investmentbanker in Frankfurt. Ackermann müsse die Sitzungen auch vor- und nachbereiten. „Da bliebe nicht mehr viel Zeit, wenn es mit der Neuordnung des deutschen Bankenmarktes tatsächlich losginge“, sagt ein Fusionsberater aus einer großen Bank.

Schon seit Monaten lauern große ausländische Institute wie der weltgrößte Finanzdienstleister Citigroup oder die britische HSBC auf eine Gelegenheit, um am deutschen Markt zuzuschlagen. Am vernehmlichsten erklärte Oswald Grübel, Chef der Credit Suisse, sein Interesse an „substanziellen Akquisitionen“ in Deutschland. Mit einer kleinen Privatbank will sich der Schweizer nicht zufrieden geben: „Eigentlich denken wir an etwas Größeres.“ Angesichts der drohenden Übernahmen aus dem Ausland wandte sich Deutsche-Bank-Aufsichtsratschef Rolf-Ernst Breuer Ende vergangenen Jahres Hilfe suchend nach Berlin: „Alle politisch Verantwortlichen müssen sich darüber im Klaren sein, dass die potenziellen Eroberer schon vor der Tür stehen.“

Im freien Spiel der Kräfte auf den internationalen Märkten dürfte aber selbst der Bundeskanzler nicht allzu viel Schutz bieten. Die heimischen Institute müssen sich schon alleine helfen, allen voran der Marktführer Deutsche Bank. Doch mit dem Chef auf der Anklagebank und einer Reihe von Risiken – etwa durch eine Klage des einstigen TV-Moguls Leo Kirch vor einem US-Gericht oder die Verwicklungen der Bank in den Skandal um den Lebensmittelkonzern Parmalat – ist die Mannschaft in den Frankfurter Zwillingstürmen derzeit nicht gerade gut aufgestellt.

Immerhin bleibt den Deutschbankern die Hoffnung, dass es mit der Konsolidierung nicht ganz so schnell geht. „Ich sehe in diesem Jahr noch keinen Verkauf einer deutschen Großbank an eine internationale Bank“, sagt Hermann Prelle, Leiter des Investmentbankings der UBS in Deutschland. „Zwar ist das Interesse grundsätzlich da. Es fehlt aber noch die Transparenz über die tatsächliche Ertragsstärke deutscher Banken.“ Auch für Dieter Hein, Analyst bei Fairesearch, ist der deutsche Markt zwar theoretisch sehr attraktiv. „Aber die Banken sind es wegen der strukturellen Probleme nicht.“

Die gibt es mehr als reichlich: Bei der HypoVereinsbank (HVB) und der Allianz-Tochter Dresdner Bank stecken die Bücher voller fauler Kredite. Im Privatkundengeschäft, in anderen Ländern ein verlässlicher Gewinnbringer, fehlt den deutschen Häusern die Masse, um im international Eindruck machen zu können – der Marktanteil von HVB und Commerzbank liegt zusammen genommen bei gerade mal sechs Prozent.

„Es gibt zwar eine Handvoll ernsthafter Interessenten aus dem Ausland“, sagt der Banken-Experte einer großen internationalen Investmentbank. „Die gingen bei einem Kauf aber ein hohes Risiko ein. Bis die Geschäftsmodelle beieinander und die Top-Etagen sortiert sind, kostet das eine Menge Geld. Und die schwachen Renditen der deutschen Banken wären den eigenen Aktionären schwer zu verkaufen.“

Während die amerikanische Citigroup knapp 20 Prozent Eigenkapitalrendite erwirtschaftet, wären die großen deutschen Institute schon mit 15 Prozent zufrieden. „Doch das ist für Banken wie die HVB oder die Commerzbank unrealistisch“, sagt der Fusionsberater einer großen Investmentbank. „Da passen 10 Prozent schon eher in die Welt.“ Zuletzt lieferten HVB, Commerzbank und Dresdner sogar negative Eigenkapitalrenditen.

Immerhin haben die Banken schon kräftig aufgeräumt. Die HVB trennte sich von einem Großteil ihrer Immobilienkredite und verkaufte Beteiligungen. Commerzbank-Chef Klaus-Peter Müller verminderte den Wert seiner Beteiligungen um mehr als 2 Mrd. Euro, Marktführer Deutsche Bank trennte sich 2003 nahezu im Monatstakt von wichtigen Industrie-Beteiligungen. Die Dresdner Bank verscherbelt Problem-Kredite zu Discount-Preisen an Investoren. Alle Institute bauten tausende Stellen ab.

„Jede Bank hat in den vergangenen zwölf bis 18 Monaten Fett weggeschnitten. Von ihnen ist inzwischen nicht viel mehr übrig als ein Skelett und ein paar Muskeln. Wie sollen ausländische Banken das Geschäft besser machen können?“, fragt ein Branchenexperte.

Dennoch wäre der Marktführer Deutsche Bank schlecht beraten, untätig auf eine Attacke von außen zu warten. Schließlich touren Investmentbanker zwischen den Banktürmen in Frankfurt und München hin und her. „Jeder redet mit jedem“, weiß Thomas Eichelmann, Unternehmensberater bei Roland Berger.

Die Deutsche Bank hat auf Grund ihrer für deutsche Verhältnisse überdurchschnittlichen Ertragsstärke die meisten Optionen – aber auch am meisten zu verlieren. Mit der Übernahme einer deutschen Großbank würde Ackermann die Rendite und damit wohl den Aktienkurs drücken. Andererseits wäre damit die Position seines Hauses als Marktführer in Deutschland gestärkt. „Es ist nicht ausgemacht, wie die Investoren reagieren würden. Die Geschichte einer Konsolidierung im Heimatmarkt könnte auch gut ankommen“, sagt ein Investmentbanker.

Commerzbank und HVB haben praktisch nirgendwo eine gute Position. Seit Jahren schon prüfen sie daher eine Fusion. „Wir sprechen natürlich mit der Commerzbank“, verkündete HVB-Chef Dieter Rampl gestern auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Unklarer denn je ist aber, wer in einer kombinierten Bank der Juniorpartner würde – und welcher Vorstandschef damit das Nachsehen hätte. Beide ließen in den vergangenen Wochen die Muskeln spielen: Commerzbank-Chef Müller verspürt nach der Aufräum-Aktion in seiner Bilanz schon wieder Akquisitionshunger. „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht“, hielt Rampl dagegen. Die HVB sei nun in einer besseren Position.

Dabei hätten auch die großen deutschen Versicherer ein Wörtchen mitzureden. Allerdings werden weder die Münchener Rück noch Allianz frisches Geld in die Hand nehmen, um bei der anstehenden Konsolidierung als Königsmacher aufzutreten – die Finanzmärkte haben beide für ihr Engagement im Bankenbereich allzu kräftig abgestraft.

Die Münchener Rück hält 25,6 Prozent an der HVB, knapp 10 Prozent an der Commerzbank und – über ihren Anteil an der Allianz – 12 Prozent an der Dresdner. Das Engagement im schwächelnden Bankensektor bescherte dem Rückversicherungsriesen 2003 einen herben Verlust – obwohl es im Kerngeschäft des Weltmarktführers so gut läuft wie nie zuvor.

Kein Wunder, dass der neue Vorstandschef Nikolaus von Bomhard seinen Konzern aus der Schusslinie nehmen will. Zwar soll der Vertriebsweg HVB erhalten bleiben, über den die Münchener-Rück-Tochter Ergo Policen verkauft. Aber: „Die knapp 26 Prozent an der HVB, die wir jetzt halten, brauchen wir nicht, um unsere Vertriebsvereinbarung zu unterlegen“, sagt von Bomhard. Schließlich halte der Versicherer AMB Generali am Vertriebspartner Commerzbank einen Anteil von nur 10 Prozent.

Die Allianz dürfte mit der 2001 übernommenen Dresdner Bank eine aktivere Rolle im Fusions-Poker spielen. „Die würden sofort verkaufen, wenn das ohne großen Verlust möglich wäre“, so der führender Manager einer internationalen Bank. Auch unter Allianz-Managern gilt der Kauf als inzwischen als Fehlgriff. Synergien lassen sich nur mühsam heben, die Kulturen sind immer noch sehr unterschiedlich. Allerdings hat die Allianz 24 Mrd. Euro für die Dresdner berappt. Mit welchem Wert die Beteiligung heute in ihren Büchern steht, verrät sie nicht. Aber sicher ist, dass beim Verkauf ein gigantischer Verlust entstünde.

Deshalb hält auch Allianz-Chef Michael Diekmann am Konzept des integrierten Finanzdienstleisters fest. Doch das könnte sich ändern: „Der Vertrieb von Bankprodukten über die Versicherungsvertreter ist bisher immer gefloppt“, sagt der Bankexperte einer Investmentbank. „Kein Versicherer muss eine Bank besitzen, um erfolgreich zu sein.“

Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann muss darauf hoffen, dass die Zurückhaltung in den Vorstandsetagen der Konkurrenten noch eine Weile andauert. Und dass die Attacke eines großen ausländischen Investors nicht auf einen Mittwoch oder Donnerstag der kommenden Wochen fällt. Dann bliebe ihm nämlich nur die kurze mittägliche Prozesspause, um in seinem Notbüro an der Düsseldorfer Königsalle das Allerschlimmste zu verhindern.

Zitat:

„Eigentlich denken wir an etwas Größeres“ – Credit-Suisse-Chef Oswald Grübel über die mögliche Übernahme einer deutschen Bank

Bild(er):

Ein Horrorszenario für die Herren der Frankfurter City: Die heimischen Institute müssen den Zugriff fremder Eroberer fürchten – Zenit/laif/Paul Langrock; Cinetext; FTD-Montage

Quelle: Financial Times Deutschland


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