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Branchen wie Lebensmittelindustrie oder Mobilfunk finden schwerer Deckung · Auch Managerhaftung wird für Unternehmen teurer

Posted By Anja Krüger On 30. Januar 2004 In Archiv,RTF Import | No Comments | Drucken

Von Anja Krüger, Hamburg Die Lebensmittelindustrie muss mit höheren Preisen für ihre Haftpflichtversicherung rechnen. Hohe Kalorienzahlen und neue Produktversprechen erhöhten das Risiko für Schadensersatzforderungen, sagte Thomas Wollstein, Haftpflichtexperte des weltgrößten Rückversicherers Münchener Rück gestern auf einer Fachkonferenz in Hamburg.

Damit reiht sich die Lebensmittelindustrie in eine Liste wichtiger Branchen ein, deren Risikoschutz zunehmend schwieriger oder zumindest teurer wird. Zuvor hatten Versicherer vor allem von Pharmafirmen, Chemie- und Gentechnikunternehmen sowie Kfz-Zulieferern höhere Preise verlangt oder den Risikoschutz teilweise ganz abgelehnt.

„Die Risiken in der Lebensmittelbranche greifen uns gleich von zwei Seiten an“, sagte Wollstein. Hersteller fügten ihren Produkten viel Zucker zu, um sie wohlschmeckender zu machen. Das führe gerade in den USA, wo Fastfood einen Großteil der Ernährung ausmache, zu hohen Schadensersatzforderungen wegen starken Übergewichts als Folge falscher Ernährung. „Das ist zunehmend auch ein deutsches Problem“, sagte Wollstein.

Ein Risikofaktor sei zudem der veränderte Charakter der Produkte: „Lebensmittel dienen nicht mehr allein dem Sattwerden, sondern werden auch mit anderen Zwecken verkauft.“ Gesundheitsförderung oder Schönheit seien Beispiele. „Das geht in Richtung pharmazeutische Industrie“, sagte er. Entsprechend ändern sich die Risiken der Hersteller. Wird die versprochene Wirkung nicht erzielt oder tauchen gar Nebenwirkungen auf, entsteht das Risiko einer Schadensersatzforderung.

Zunehmend ins Blickfeld der Versicherer geraten auch Risiken von Handyherstellern und Netzbetreibern. „Es gibt keinen generellen Ausschluss solcher Risiken aus Versicherungsverträgen“, sagte Wollstein. Auch wenn es keine Beweise gebe, dass Mobilfunk Schäden verursache, würde der Konzern aber Produkte der alten Handygenerationen ausschließen, ebenso US-Risiken: „Man weiß nie, wie die Rechtsprechung in den USA läuft“, sagte er.

In Einzelfällen könnten Hersteller und Betreiber erhebliche Schwierigkeiten haben, eine Deckung zu bekommen, sagte Hartmuth Kremer-Jensen, Haftpflichtchef beim Großmakler Aon Jauch & Hübener. So stehe ein großer Handy- und Netzzubehörhersteller im Moment in komplizierten Verhandlungen. Die Industrie muss sich darauf einstellen, dass ein solches Vorgehen der Versicherer auch in anderen Bereichen Schule macht. „Es gibt die Tendenz bei den Versicherern, alle Risiken, die sich künftig zu Schäden entwickeln könnten, auf die Ausschlussliste zu setzen“, sagte er.

Für den Großteil der deutschen Industrie ist nach zwei Jahren die Zeit heftiger Preiserhöhungen in der Haftpflichtversicherung aber vorbei. „Seit Anfang Oktober hat sich der Markt doch stark gewandelt“, sagte Kremer-Jensen, der mehrere Tausend Verträge für 2004 ausgewertet hat. Der Makler erwartet ein zunehmend aggressives Angebotsverhalten der Versicherer. Sie hätten zwei Jahre Zeit gehabt zu sanieren. „Wer bis Ende 2003 nicht saniert hat, wird 2004 bei der Sanierung eine hohes Risiko haben, Kunden zu verlieren“, sagte er. Für die meisten Risiken sei genügend Kapazität vorhanden, die Preise würden zum Teil drastisch sinken. Eine Ausnahme sei die Managerhaftung.

Versicherer und Rückversicherer sehen einen ähnlichen Trend, allerdings weniger deutlich. „Es gibt eine gewisse Beruhigung, aber es gibt für 2004 noch keine Entwarnung, was die Preise angeht“, sagte Rolf Aßhoff, stellvertretendes Vorstandsmitglied beim HDI. Auch Wollstein von der Münchener Rück betrachtet die Sanierung in der Industriehaftpflicht als abgeschlossen. „Es wird weiter zu Preissteigerungen kommen, aber nicht wegen der Sanierung“, sagte er. Grund seien neue Risiken.

Bild(er):

Gut genährter Kneipenbesucher: Fastfood-Konsum beschert US-Lebensmittelherstellern wegen der Gesundheitsfolgen hohe Schadensersatzforderungen – Avenue Images/Bob Kramer

Quelle: Financial Times Deutschland


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