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Geld geben für die Ewigkeit

Posted By Anja Krüger On 23. April 2004 In Archiv,RTF Import | No Comments | Drucken

Ob für karitative Zwecke, zur Sicherung eines Unternehmens nach dem Tod des Inhabers oder für staatliche Projekte – das Stiftungswesen in Deutschland boomt

Vor 20 Jahren haben Eltern krebskranker Kinder bei Pfarrfesten Kuchen und selbst gestrickte Topflappen verkauft, um Geld für die Forschung gegen Krebs aufzutreiben. Heute geht die Essener Elterninitiative zur Unterstützung krebskranker Kinder professionell an ihr Vorhaben: „Wir haben eine Stiftung gegründet“, sagt Schatzmeisterin Maria Rösch.

Ob Unternehmer, Eltern kranker Kinder oder Wohlhabende ohne Erben – immer mehr Menschen rufen für die unterschiedlichsten Zwecke Stiftungen ins Leben. Noch in den 80er Jahren wurden jährlich etwa 150 selbstständige Stiftungen gegründet, heute sind es mehr als 780. „Wir haben eine Konsolidierung auf hohem Niveau“, sagt Christoph Mecking, Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Stiftungen. Das bisherige Rekordjahr war 2001 mit mehr als 800 Gründungen. Mittlerweile gibt es in Deutschland rund 12 200 Stiftungen, die eigenständige juristische Personen sind. Darunter sind gemeinnützige Stiftungen, Bürgerstiftungen für regionale Projekte sowie Familien- und Unternehmensstiftungen, mit denen die Einheit des Vermögens gesichert wird. Außerdem existieren schätzungsweise 100 000 so genannte unselbstständige Stiftungen, die einen Treuhänder haben, etwa eine Kommune oder eine Kirche. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn jemand der katholischen Kirche 10 000 Euro mit dem Zweck vermacht, dass für ihn jedes Jahr eine Messe gelesen wird. Im Gegensatz zur selbstständigen kommt die treuhänderische Stiftung ohne eigene Organisation aus.

Stiftungen verfügen über ein Vermögen, das nicht angetastet werden darf. „Eine Stiftung ist per se auf Ewigkeit angelegt“, erklärt Mecking. Mit den Erträgen aus dem Vermögen wird der Stiftungszweck erfüllt. Nicht nur die Vereinfachung des Stiftungsrechts und die Schaffung stärkerer Steueranreize, auch die boomenden Kapitalmärkte machten es um die Jahrtausendwende attraktiv, Stiftungen zu gründen. Entsprechend zu kämpfen hatten diese mit der Talfahrt der Börsen. Der Bundesverband Deutscher Stiftungen schätzt, dass die Stiftungen über ein Vermögen von 50 Mrd. Euro verfügen und jährlich 18 Mrd. Euro investieren.

Die Elterninitiative aus Essen will mindestens 1 Mio. Euro zusammenbekommen und mit den Kapitalerträgen das Gehalt eines Stiftungsprofessors an der Universität der Stadt finanzieren. Für Räume und Sachmittel kommt die Hochschule auf. „Aus Vermächtnissen und Nachlässen haben wir bereits 300 000 Euro erhalten“, sagt Rösch.

Stiftungen sind nicht nur bei Bürgern mit karitativen, kulturellen oder wissenschaftlichen Anliegen populär, sondern auch bei Unternehmern. Mit Hilfe einer Stiftung kann ein Inhaber verhindern, dass nach seinem Tod sein Lebenswerk in Erbschaftsstreit und Steuerschuld untergeht. „Eine gemeinnützige Stiftung darf sich nicht unternehmerisch betätigen“, erklärt Mecking. Deshalb werden bei diesem Modell Vermögenszuordnung und Entscheidungsbefugnis in zwei verschiedene Stiftungen eingebracht, beispielsweise in eine gemeinnützige und eine Unternehmensstiftung. In der gemeinnützigen liegen 95 Prozent des Besitzes und nur fünf Prozent der Stimmrechte, in der anderen sind die Besitz- und Stimmverhältnisse umgekehrt. „Von unsere Beratungen wissen wir, dass dieser Weg immer häufiger gewählt wird“, sagt er.

Auch der Staat setzt mehr und mehr auf Stiftungen – zum Missfallen der professionellen Stifter. Die Bundesregierung organisiert wichtige politische Projekte im Gesundheitswesen als Stiftung, etwa das geplante Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen oder die Förderung der Prävention. Die größten Stiftungen öffentlichen Rechts sind die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ mit Ausgaben von 1,3 Mrd. Euro im Jahr 2003 und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, der im vergangenen Jahr Mittel in Höhe von 318 Mio. Euro zur Verfügung standen. „Es ist in unseren Augen ein Problem, dass der Staat Stiftungen errichtet“, erklärte Mecking. „Wir sehen mit einer gewissen Sorge, dass der Staat den Stiftungsgedanken instrumentalisiert.“

Denn der Gedanke des Stiftungswesens ist nach Meckings Auffassung gerade die Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements – und dessen Autonomie. Aber die werde bei Stiftungen des öffentlichen Rechts ausgehöhlt, kritisiert Mecking. „In den Gremien sitzen oft Leute aus Ministerien, die für die Aufsicht oder die Mittelvergabe zuständig sind.“ Außerdem werden viele Stiftungen der öffentlichen Hand nicht mit einem Vermögen ausgestattet, sondern erhalten Zuwendungen aus den Haushalten – die jederzeit gestoppt werden können.

Mit dem Stiftungsboom ist auch ein starker Beratungsbedarf entstanden. Traditionell unterstützen Anwälte oder Banken Interessierte – jetzt drängen neue Dienstleister wie die 1999 gegründete Deutsche Stiftungsagentur auf den Markt. An die Neusser Agentur wenden sich nach Angaben des Geschäftsführers, Jörg Martin, jährlich 100 Ratsuchende. „Unsere Kernzielgruppe sind Personen, die keinen Erben haben oder mit ihren Erben über Kreuz sind“, sagt Martin. Ein interessantes Projekt ist eine Stiftungsgründung für Personen mit einem Barvermögen ab 250 000 Euro und einer Immobilie. „Sinnvoll ist, zu Lebzeiten etwa 50 000 Euro in eine Stiftung einzubringen und sie noch einige Jahre zu begleiten“, sagt er. Sind die Geldgeber mit der Arbeit der Einrichtung zufrieden, können sie ihr Restvermögen testamentarisch der Stiftung vermachen. Die meisten von Martins Klienten errichteten Stiftungen werden zugunsten von Kindern gegründet. „Auch das Thema Krebs, vor allem in Verbindung mit Kindern, ist sehr populär“, sagt er. An dritter Stelle folgt der Tierschutz.

Zitat:

„Es ist ein Problem, dass der Staat Stiftungen errichtet“ – Christoph Mecking, Bundesverband Deutscher Stiftungen

Bild(er):

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz unterstützt etwa die Neue Nationalgalerie in Berlin, wo gerade die Moma-Ausstellung samt dem Liegenden Akt von Amedeo Modigliani zu sehen ist – Museum of Modern Art New York

Anja Krüger

Quelle: Financial Times Deutschland


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