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Assekuranz ist empört über Unisex-Plan

Posted By Herbert Fromme On 28. April 2004 In Archiv,RTF Import | No Comments | Drucken

Branche erwartet, dass Männer kaum noch Riester-Verträge abschließen · Festlegung hat Symbolcharakter für andere Policen

Von Anja Krüger, Köln, und Herbert Fromme, München Der Versicherungswirtschaft bläst der Wind ins Gesicht. Neben dem Wegfall des Steuerprivilegs in der Kapitallebensversicherung steht ihr die Einführung von geschlechtsneutralen Tarifen, den Unisex-Tarifen, bei der Riester-Rente ins Haus. Damit bricht nach Ansicht der Branche ein Markt weg, von dem sie sich nach der Rentenreform 2002 viel versprochen hatte.

Allerdings ist der Absatz bisher weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben.. Während die Assekuranz 2002 noch 2,6 Millionen Verträge verkaufte, waren es 2003 nur noch 0,5 Millionen. Die Versicherer hatten erwartet, in kurzer Zeit mehr als zehn Millionen Policen abzusetzen.

Viel gravierender als die direkten Folgen ist der Symbolcharakter der staatlichen Festlegung. Die Versicherer befürchten, dass die Regierung mittelfristig auch in anderen Feldern geschlechtsspezifische Tarife verbieten könnte. Darauf drängt inzwischen die EU-Kommission. Auch für eine weitere sehr umstrittene Frage hätte das Diskriminierungsverbot möglicherweise einen für die Assekuranz unerwünschten Vorbildcharakter: Die Regierung will die Differenzierung von Tarifen nach genetischen Anlagen verbieten, die Assekuranz ist strikt gegen ein solches Verbot.

Frauen müssen bei privaten Rentenverträgen – einschließlich Riester – höhere Beiträge zahlen als Männer, um im Alter die gleiche Rente zu beziehen. Die Versicherer begründen das mit der höheren Lebenserwartung von Frauen. Nach dem Willen der rot-grünen Koalition soll es ab 2006 die staatliche Förderung nur noch für Verträge geben, bei denen Frauen und Männer die gleichen Prämien für die gleiche Rentenleistung zahlen.

Das könnte der schwergängigen Riester-Rente ganz den Garaus machen, fürchtet der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). „Riester wird für Frauen nicht billiger, wohl aber für Männer teurer“, sagte Peter Schwark, Leiter der Abteilung Sozialpolitik beim GDV. „Bei der Riester-Rente müssen künftig die Männer die Renten der Frauen mitfinanzieren.“ Deshalb würden Männer dann auf andere Produkte ausweichen. „Weil die Riester-Rente für Männer unattraktiver wird, müssen die Versicherer damit rechnen, dass vor allem Frauen Riester-Rentenverträge abschließen. Das heißt aber auch, dass sie mit der höheren Lebenserwartung der Frauen kalkulieren müssen.“ Die Riester-Rente werde für Frauen nicht billiger.

Marktführer Allianz Leben hofft, dass die Unisex-Tarife noch abzuwenden sind. „Wir geben die Schlacht noch nicht verloren“, sagte ein Sprecher. Es sei ein Signal in die falsche Richtung. „Bisher haben sich die Frauen bei uns nicht diskriminiert gefühlt“, sagte der Sprecher. Die Allianz Leben hat 53 Prozent ihrer bis Ende 2003 abgesetzten 660 000 Riester-Verträge an Frauen verkauft.

Sollte es zu Unisex-Tarifen kommen, wird das Unternehmen die Verträge für Männer an die für Frauen angleichen. Für die gleichen Prämien, die Männer heute zahlen, bekommen sie dann später im Schnitt etwa 15 Prozent weniger Rente. „Das Hauptproblem wird dann die Akzeptanz bei den Männern sein“, sagte der Sprecher. Denn Männer werden bei gleicher Auszahlung für eine private Rentenversicherung ohne Riester monatlich nur wenig mehr zahlen müssen als für einen staatlich geförderten Vertrag. Anders als private Verträge sind Riester-Policen für den Kunden sehr aufwändig, weil sie wegen der staatlichen Förderung etwa für minderjährige Kinder regelmäßig aktualisiert werden müssen. Auch die zur AMB Generali gehörende Volksfürsorge lehnt Unisex-Tarife ab. „Wir glauben, dass Riester damit noch einen weiteren Knacks bekommen wird“, sagte ein Sprecher.

Kritik kam auch von den Versicherungsmathematikern, den Aktuaren. „Derartige Eingriffe in die freie Produktgestaltung führen zu einer immensen Verteuerung der Produkte und nutzen nicht dem Verbraucher“, sagte Kurt Wolfsdorf vom Beratungsunternehmen B&W Deloitte. Er ist Vorsitzender der Deutschen Aktuarvereinigung. In Zeiten der Deregulierung sei eine solche Regelung „überflüssig wie ein Kropf“.

Zitat:

„Riester wird für Frauen nicht billiger, aber für Männer teurer“ – Peter Schwark, GDV

www.ftd.de/unisex-tarife

Quelle: Financial Times Deutschland


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