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Koalition verlangt Unisex-Tarife

Posted By Herbert Fromme On 28. April 2004 In Archiv,RTF Import | No Comments | Drucken

Frauen werden bei Riester-Rentenverträgen Männern gleichgestellt · Union trägt Gesetzespaket mit

Von Timo Pache, Berlin, Anja Krüger, Köln, und Herbert Fromme, München In der staatlich geförderten Altersvorsorge sind künftig einheitliche Tarife für Männer und Frauen vorgeschrieben. Die rot-grüne Koalition beschloss gestern, dass die Versicherungen ab 2006 bei neuen Riester-Rentenverträgen so genannte UnisexTarife anbieten müssen. Bislang müssen Frauen für die gleiche Rente rund 15 Prozent mehr bezahlen als Männer, weil sie im Schnitt sechs Jahre länger leben. Bestehende Verträge sind nicht betroffen.

Frauenpolitikerinnen quer durch die Fraktionen feierten den Beschluss als großen Erfolg für die Gleichstellung. Verbraucherschützer und Versicherungen sprachen dagegen von einem „Todesstoß“ für die Riester-Rente. Die Union sagte zu, das gesamte Gesetz zur Reform der Rentenbesteuerung und -förderung im Bundesrat mitzutragen. Bei der morgigen Abstimmung im Bundestag werde sie hingegen mit Nein votieren, kündigte ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Volker Kauder an.

Damit ist der Weg für das zweite große Reformpaket der Altersvorsorge frei. Auf praktisch alle 82 Millionen Deutschen kommen eine Reihe von Steueränderungen zu. Für Rentner steigen ab 2005 schrittweise die Steuern, gut situierte Rentner werden weniger im Portemonnaie haben. Da im Gegenzug die Rentenbeiträge schrittweise von der Steuer befreit werden, werden die Arbeitnehmer entlastet.

Zusätzlich baut das Gesetz die staatliche Förderung der privaten und betrieblichen Altersvorsorge um. Gestern einigten sich Experten der Koalition auf letzte Änderungen, so auch auf die umstrittenen Unisex-Tarife.

Politikerinnen der Koalition werteten die Einheitstarife als Sieg. Damit sei „ein Stück Gerechtigkeit“ für Frauen erreicht, freute sich die frauenpolitische Sprecherin der Grünen, Irmingard Schewe-Gerigk. Auch die Vorsitzende der Frauenunion, Maria Böhmer, sagte der FTD: „Dies ist ein wichtiger Schritt nach vorne. Ich habe lange für gleiche Tarife für Männer und Frauen gekämpft.“ Sie kritisierte aber, dass Frauen, die bereits eine private Police haben, nicht in den Genuss der neuen Tarife kommen.

Verbraucherschützer bestritten dagegen, dass Frauen von Einheitstarifen profitieren. „Unisex-Tarife bei der Riester-Rente sind für Frauen kontra-produktiv, vermutlich werden gerade Frauen darunter leiden“, sagte Peter Grieble, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Für Männer würden die Produkte teurer, für Frauen aber nicht billiger.

Nach Angaben der Volksfürsorge müssen Männer im Durchschnitt mit 15 Prozent höheren Beiträgen rechnen. „Bei Unisex-Tarifen werden wir die Tarife für Männer an die für Frauen angleichen“, sagte ein Sprecher der Versicherung. Auch Marktführer Allianz will bei der Einführung geschlechtsneutraler Tarife so vorgehen. Die Versicherer müssen nun bis Ende 2005 ihre rund 3 500 Musterverträge für Riester-Renten neu konzipieren. Für Männer werde der Unterschied zwischen einem staatlich geförderten Vorsorgevertrag und einer privaten Rentenpolice bei den Prämien nur noch wenige Euro betragen, so ein Allianz-Sprecher. Die Versicherer glauben, dass Unisex-Tarife das Ende der Riester-Rente bedeuten. Männer würden künftig andere Sparformen vorziehen, erwartet Peter Schwark, Leiter der Abteilung Sozialpolitik beim Branchenverband GDV.

Die Assekuranz fürchtet noch weitergehende Folgen: Die neue Regelung könne das Einfallstor für ein generelles Diskriminierungsverbot bei Versicherungen sein, wie es auch die EU fordert. Dagegen wehrt sich die Branche mit Händen und Füßen.

Mit dem Paket wird auch das Steuerprivileg für Lebensversicherungen gestrichen. Statt bisher steuerfreier Erträge erwartet Neukunden ab 2005 eine volle Besteuerung der Erträge, allerdings über fünf Jahre gestreckt.

Kauder sagte, im Bundestag werde die Union das Gesetz ablehnen. Allerdings hätten die CDU-geführten Regierungen Thüringens, Sachsens und des Saarlands signalisiert, dem Gesetz im Bundesrat zuzustimmen. Er sprach von einer „minimalen Beteiligung“ der Union.

Bild(er):

Ein unisexueller Versicherungskunde: Bei Riester-Renten darf es künftig keinen Unterschied mehr zwischen Männern und Frauen geben – gettyimages (2); FTD-Montage

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Leitartikel Seite 31

Quelle: Financial Times Deutschland


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