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Ein Norweger, der Main und die Welt der Schiffe

Posted By Katrin Berkenkopf On 29. April 2004 In Archiv,RTF Import | No Comments | Drucken

Dagfinn Lunde ist in seinem Frankfurter Büro selten zu finden. Für ein Interview mit der FTD war er aber zu haben

Eigentlich wäre Bergen ein passender Sitz für die DVB Bank. Oder New York. Oder Singapur. Denn dort arbeiten ihre Kunden. Dass ihr Hauptquartier stattdessen in Frankfurt am Main angesiedelt ist, liegt in der 81-jährigen Geschichte der Bank begründet. Frankfurt als Standort für die Finanzierung von Schiffen und Flugzeugen – zufällig, aber nicht hinderlich, findet Lunde. Schließlich liegt Hamburg auch nicht näher an Asien.

Der Norweger kam 2000 zur DVB Bank, als sie den Schiffsfinanzierungsspezialisten Nedship Bank aus den Niederlanden übernahm. Er ist mittlerweile in DVB Bank NV umbenannt. Seit zwei Jahren gehört Lunde zum dreiköpfigen Vorstand. Den Blick über Downtown-Mainhattan aus seinem Büro genießt er allerdings eher selten, denn nur ein bis zwei Tage in der Woche verbringt er in Frankfurt. Den größten Teil seiner Arbeitszeit jettet er um die Welt, besucht die Werften in Asien, die Reeder in London oder seine Mitarbeiter in Rotterdam. Ein bisschen Deutsch spricht er, aber Geschäftssprache ist in der Schifffahrt ohnehin Englisch.

Deutsche Kunden hat Lunde nur wenige. „Der deutsche Markt ist traditionell gekennzeichnet durch höheres Risiko und niedrigere Margen“, sagt er. Ein Grund dafür sind die Landesbanken, auch wenn Lunde das nicht so offen sagt. Immerhin ist mit der HSH Nordbank eine Landesbank weltweit größte Schiffsbank. Ihre starke Stellung bei Reedern und Schiffbauern konnten sich die Landesbanken durch die niedrigen Refinanzierungskosten sichern. Diesen Vorteil verlieren die Banken jetzt auf Druck der EU.

„Wir nähern uns langsam dem internationalen Niveau“, sagt Lunde. Die Margen sind im vergangenen Jahr um 18 Basispunkte auf 149 Punkte gestiegen. Die gestiegenen Margen nutzt die DVB Bank aber derzeit nicht zur Ausweitung des Geschäfts – im Gegenteil. Lunde verfolgt bei der Kreditvergabe eine strikt antizyklische Strategie. „Zurzeit kann man die größten Fehler machen“, sagt er. „Die Schifffahrtsmärkte sind auf einem neuen Rekordniveau, und deshalb sollte man jetzt nicht zu viel neues Geschäft zeichnen.“

Dazu passt auch, dass die Frankfurter genau darauf achten, dass kein Schiffstyp das Portfolio dominiert – im Gegensatz zur mächtigen Konkurrenz aus Hamburg, bei der mehr als ein Drittel aller finanzierten Frachter Containerschiffe sind.

Die DVB Bank hat ein striktes Risiko-Monitoring für die Schiffe: Jeden Monat wird der aktuelle Wert eines Frachters in Bezug gesetzt zur ausstehenden Kreditsumme. Wird das Verhältnis der Bank zu ungünstig, muss der Eigner nachschießen.

Lunde hält das System für vorbildlich. „Wir machen es, die meisten anderen Banken würden nicht zugeben, dass sie es nicht machen.“ Für die DVB Bank lohnt sich diese harte Linie. In den vergangenen fünf Jahren gab es in der Schifffahrt keinen Verlust.

DVB-Bank-Chef Wolfgang Driese will seine Pläne für neue Geschäftsfelder zwar erst im kommenden Jahr öffentlich machen, ein neues Betätigungsfeld hat die Bank allerdings schon Ende vergangenen Jahres aufgenommen: die Finanzierung von Containern.

Bis zu fünf Prozent des Gesamtkreditportfolios könnte dieser Bereich langfristig ausmachen, sagt Lunde. Die Idee dahinter sei ganz einfach: Mit jedem Stellplatz, der auf einem neuen Containerschiff entsteht, müssen gleichzeitig mindestens zwei neue Transportboxen finanziert werden.

Zitat:

„Zurzeit kann man die größten Fehler machen“ – Dagfinn Lunde, Vorstandsmitglied der DVB Bank

Katrin Berkenkopf

Quelle: Financial Times Deutschland


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