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Klaren Kopf behalten

Posted By Herbert Fromme On 1. Juni 2004 In Archiv,RTF Import | No Comments | Drucken

kulissengeflüster

Herbert Fromme , Köln Kaum jemand wird in den nächsten sieben Monaten Versicherungsvertretern entgehen können, die eine Kapitallebensversicherung verkaufen wollen. Ihr Hauptargument wird der Steuervorteil sein. Regierungskoalition und die Opposition haben sich auf den weitgehenden Wegfall des Steuerprivilegs der Lebensversicherer geeinigt.

Bestehende Policen sind nicht betroffen. Auch wer bis zum 31. Dezember 2004 einen Vertrag abschließt, kann den Ertrag steuerfrei kassieren. Für alle ab 2005 geschlossenen Verträge gilt dann, dass die Erträge versteuert werden müssen. Nur wenn der Kunde bei Ablauf der Police 60 Jahre alt ist und der Vertrag mindestens 12 Jahre in Kraft war, darf er die Hälfte der Erträge steuerfrei einnehmen.

Zwar haben die Deutschen schon 91 Millionen Lebensversicherungsverträge. Aber, so wird der Mann von Allianz oder Zürich, AWD oder MLP argumentieren, ein weiterer Vertrag kann doch nicht schaden – bei dem Steuervorteil.

Vor der Unterschrift lohnt es sich, nachzudenken und genauer hinzusehen. Denn dem Steuervorteil stehen eine Reihe gewichtiger Nachteile gegenüber. Die klassische Kapitallebensversicherung kombiniert Risikoschutz mit einem Sparvorgang. Wer vor allem sich selbst gegen Berufsunfähigkeit und die Familie gegen den Todesfall absichern will, sollte prüfen, ob eine Risikoversicherung nicht die bessere Wahl ist – Risikoschutz und Sparvorgang also getrennt werden.

Denn das Sparen per Lebensversicherung hat gewichtige Nachteile. Der wichtigste ist die Inflexibilität. Nur wer den Vertrag bis zum vorgesehenen Ende durchhält, kassiert vollständig die ihm zustehende Rendite. Rund 50 Prozent der Kunden kündigen aber vorzeitig, meistens weil sie Geld für Auto, Baby, Haus oder Scheidung brauchen. Das ist immer mit Verlusten verbunden.

Auch die Rendite sollte genauer betrachtet werden. Die Versicherer zahlen 2004 im Durchschnitt 4,3 Prozent – aber nicht auf den geleisteten Beitrag, sondern auf den Beitrag abzüglich Kosten für Vertrieb und Risikoschutz. In der Regel werden nur 80 Prozent des Beitrages verzinst. Für die Versicherer spricht, dass sie eine Zinsgarantie geben, die heute bei 2,75 Prozent auf den Sparbeitrag liegt.

Vor der Unterschrift sollte man sich schließlich darüber im klaren sein, dass Lebensversicherungen mit üppigen Provisionen hoch ausgestattet sind. Wer eine Police mit 100 Euro Beitrag monatlich über 30 Jahre abschließt, hat in dem Moment unterschrieben, dem Vertreter oder der Vertriebsfirma 1500Euro bis 2500 Euro zu zahlen. Die Provision zahlt nämlich der Kunde mit den ersten Beiträgen.

Zitat:

„Dem Steuervorteil stehen gewichtige Nachteile gegenüber „

Quelle: Financial Times Deutschland


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