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Zehn Jahre Garantie auf die Hüftoperation

Posted By Anja Krüger On 2. Juni 2004 In Archiv,RTF Import | No Comments | Drucken

Bislang sind Gewährleistungen nur aus Industrie und Handel bekannt, nun gibt es sie im Gesundheitswesen. Kliniken beseitigen Mängel unentgeltlich

Der Arzt ist kein Mechaniker, der Mensch keine Maschine. Den Erfolg einer Behandlung zu garantieren erscheint deshalb gewagt. Doch immer mehr Kliniken tun genau das: Sie geben eine Garantie auf Operationen.

In der Kölner Universitätsklinik erhalten Versicherte der Barmer Ersatzkasse zwei Jahre Garantie auf Herzoperationen. „Wir kennen unsere Leistung und die Qualität, die unsere Ärzte abliefern“, sagt der kaufmännische Direktor der Klinik, Jörg Blattmann. Sein Haus ist kein Einzelfall. Lassen sich Versicherte der Barmer im St. Franziskus-Hospital in Münster ein künstliches Hüft- oder Kniegelenk einsetzen, bekommen sie eine zehnjährige Garantie. Das Gleiche gilt für Mitglieder der Techniker Krankenkasse, die sich im Klinikum Saarbrücken einer Hüftgelenksoperationen unterziehen. Viele andere Kliniken haben ähnliche Verträge abgeschlossen.

Garantiezusagen sind völlig neu im Gesundheitswesen. Dabei sprechen die Krankenhäuser allerdings keine Gewähr für alle Patienten aus, die sich einer bestimmten Operation unterziehen. Die Garantien werden nur einer bestimmten Versichertengruppe gewährt, für die die Krankenkassen im Rahmen des neuen Konzepts der so genannten integrativen Versorgung Verträge abschließen. Dieses Konzept sieht vor, dass niedergelassene Ärzte, Krankenhäuser und Reha-Einrichtungen enger zusammenarbeiten; die Kassen können dazu Verträge mit einzelnen Kliniken und auch Arztpraxen schließen. Für die Leistungen, die das Krankenhaus oder der Arzt innerhalb der Verträge erbringt, bezahlen die Kassen eine Pauschale. Um nach Operationen weitere Kosten zu verhindern, fordern sie Garantien. „Muss der Patient innerhalb der Garantiezeit erneut operiert oder nachbehandelt werden, trägt die Klinik alleine die Kosten“, erklärt Blattmann. Um bei den Verträgen zur integrativen Versorgung dabei zu sein, willigen die unter großem Wettbewerbsdruck stehenden Krankenhäuser in die verlangten Gewährleistungen ein.

Allerdings sehen die Verträge eine Reihe von Ausschlüssen vor. Patienten, die etwa schon vor dem Eingriff unter schweren Begleiterkrankungen leiden, können keine Garantie einfordern. Auch müssen bestimmte Regeln beachtet werden. Bei dem Vertrag der Barmer in Münster zum Beispiel müssen sie sich sieben Kontrolluntersuchungen unterziehen.

Vorreiter bei den Garantien ist das Unternehmen Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK) in Hamburg, das mit einem jährlichen Umsatz von 750 Mio. Euro zu den größten Gesundheitsunternehmen Europas gehört. Der LBK schloss 2002 den bundesweit ersten Vertrag mit einer Krankenkasse, der eine Garantie vorsieht. Die Vereinbarung mit der Deutschen Angestellten Krankenkasse gilt für die Entfernung von Blasentumoren. Bildet sich innerhalb von drei Monaten ein neuer Tumor, kommt das Unternehmen allein für die weiteren Behandlungskosten auf. Der Klinikbetreiber gewährt außerdem Versicherten der Techniker Krankenkasse für Hüftoperationen eine Garantie von zehn Jahren. Das ist erst der Anfang. „Wir bereiten weitere Verträge mit Garantien vor“, sagte LBK-Sprecherin Kathrin Herbst.

Kliniken gehen mit Garantien ein erhebliches finanzielles Risiko ein. Denn Komplikationen können auch bei bester Vorsorge auftreten. „Wir raten unseren Kunden, von Garantien abzusehen“, sagte Frank Tüscher vom Ecclesia Versicherungsdienst, der 1400 Kliniken in Deutschland berät. Nach Tüschers Beobachtungen gibt es in der Versicherungswirtschaft zwar Überlegungen, Deckungen für Garantiezusagen von Kliniken anzubieten. Spezielle Produkte gebe es aber noch nicht. „Die Versicherungswirtschaft tut sich schwer, weil die Kalkulation sehr schwierig ist“, sagt er.

Kliniken decken Risiken wie Behandlungsfehler mit ihrer Haftpflichtversicherung ab. Ob die auch für Garantieleistungen aufkommt, ist fraglich. Denn Behandlungsfehler liegen im juristischen Sinne nicht vor, wenn Ärzte nach den gültigen medizinischen Standards vorgegangen sind und es trotzdem zu Komplikationen kommt. Die Garantien aber beziehen sich gerade auf solche Fälle.

Zitat:

„Wir bereiten weitere Verträge mit Garantien vor“ – Kathrin Herbst, LBK Hamburg

Bild(er):

Viele Kliniken schließen mit Krankenkassen Verträge, in denen sie auf den Einsatz eines künstlichen Gelenks eine mehrjährige Garantie geben – hier ein Kniegelenk. – ddp/David Hecker

Anja Krüger

Quelle: Financial Times Deutschland


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