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Schnelle „Charley“-Hilfe nützt Bush in Florida

Posted By Herbert Fromme On 16. August 2004 In Archiv,RTF Import | No Comments | Drucken

US-Präsident erklärt Sonnenscheinstaat zum Krisengebiet · Bis zu 20 Mrd. Dollar Schäden durch Hurrikan · Folgen für Wahlkampf

Von Eva Busse, Miami, und Herbert Fromme, Köln Zweieinhalb Monate vor der Präsidentschaftswahl hat US-Präsident George W. Bush den Staat Florida zum Katastrophengebiet erklärt. Über den „Sonnenscheinstaat“ war von Freitag bis Samstag ein Wirbelsturm gefegt, der mindestens 16 Todesopfer forderte und geschätzte Schäden von bis zu 20 Mrd. $ anrichtete. Damit ist Hurrikan „Charley“ einer der verheerendsten Orkane in der amerikanischen Geschichte.

Präsident Bush sagte seine geplanten Wahlkampftermine am Sonntag ab und besuchte stattdessen den Südwesten Floridas. Florida ist einer der entscheidenden Staaten für die Wahl im November. Schon die Präsidentschaftswahl im Jahr 2000 war hier – mit 537 Stimmen Vorsprung – für Bush entschieden worden. Ähnlich knapp droht es diesmal zu werden.

Die jüngste Umfrage in der vergangenen Woche deutete jedoch einen hauchdünnen Vorsprung für Bushs Herausforderer an, den demokratischen Senator John Kerry. Kommentatoren sprachen deshalb von „Charley“ als einem „Segen“ für Bush.

Erste zuverlässige Schadenschätzungen kommen von einer Spezialfirma, die Modellrechnungen über Schadenverläufe bei Sturmereignissen durchführt. Nach Angaben von Risk Management Solutions (RMS) wird der versicherte Schaden rund 5 Mrd. $ betragen. Das habe eine Berechnung der Zugbahn und der Windstärke des Sturms ergeben. Ursprünglich war RMS von rund 15 Mrd. $ ausgegangen. Die Summen umfassen nicht die unversicherten Schäden.

Eine Sprecherin für Floridas Finanzminister Tom Gallagher sprach dagegen von 5 bis 11 Mrd. $ versicherter Schäden. Beobachter gehen davon aus, dass die hohen Schadenschätzungen auch in Zusammenhang mit dem Wahlkampf stehen könnten. „Ich denke da an die Flut 2002, die Kanzler Schröder bei der Wahl immens geholfen hat“, sagte ein erfahrener Versicherer.

Die größten Schäden richtete „Charley“ in den Küstenstädten Punta Gorda and Port Charlotte an – unter anderem, weil die Einwohner nicht ausreichend gewarnt worden waren. Bis Freitagmorgen waren die Meteorologen von einem nördlicheren Kurs des Sturms ausgegangen. Doch Freitagnachmittag gewann „Charley“ an Stärke, drehte gen Westen und schlug mit 230 Kilometern pro Stunde an der Küste ein.

Jeb Bush, jüngerer Bruder des Präsidenten und Floridas Gouverneur, sagte: „Unsere schlimmsten Ängste sind wahr geworden.“ Er verteidigte sich und die Metereologen gegen Vorwürfe, sie hätten Florida in falscher Sicherheit gewiegt: „Das Unvorhersehbare kann nicht geplant werden. Gott folgt nicht den linearen Voraussagen von Computern. Dies ist Gottes Art uns zu sagen, dass er allmächtig ist und wir sterblich sind.“

Naturkatastrophen – wie die Flut in Ostdeutschland kurz vor der Bundestagswahl 2002 – sind häufig vorteilhaft für den Amtsinhaber. „Politisch hilft „Charley‘ dem Präsidenten“, urteilt der Meinungsforscher Matt Towery, „John Kerry kann zwar immer noch (in Florida) auftauchen, allerdings muss er vorsichtig sein. Er darf nicht den Anschein erwecken, als wolle er politisches Kapital aus dem Unglück schlagen.“ Dementsprechend blieb Kerry Florida am Sonntag fern. Er und seine Frau beteten für die Opfer, sagte er. Doch er wolle die Aufräumarbeiten nicht durch einen Besuch stören.

Bush musste sich darüber keine Sorgen machen. Im Hubschrauber über zerstörte Wohngebiete fliegend, fand er sich in der Rolle wieder, die ihm am besten steht: Als zupackender“Commander in Chief“ und entscheidungsschneller Präsident in der Krise. Bushs Wahlkampfteam hätte sich keine besseren Fernsehclips ausdenken können als die gestrigen Fernsehbilder aus dem Krisengebiet.

Dass nicht jeder Amtsinhaber unvorhergesehene Krisen zu nutzen weiß, bewies Bushs Vater. „Charley“ ist der stärkste Hurrikan in der jüngeren Geschichte Floridas seit „Andrew“ im Jahr 1992. „Andrew“ unterbrach damals den Wiederwahlkampf von George Bush senior. Bush lag in Meinungsumfragen bereits hinter Bill Clinton zurück. Seine langsame und zögernde Reaktion auf „Andrew“ besiegelte schließlich seine Wahlniederlage.

Sein Sohn dagegen erklärte den Sonnenscheinstaat umgehend zum Katastrophengebiet. Dieser Status berechtigt Florida zu föderalen Hilfsmitteln aus Washington. Zudem wurde die Federal Emergency Management Agency mobilisiert. Der Einsatz der Katastrophenhelfer in Florida ist der größte seit dem 11. September 2001.

Zitat:

„Dies ist Gottes Art, uns zu sagen, dass er allmächtig ist““ – Jeb Bush, Gouverneur von Florida

Bild(er):

Eine völlig zerstörte Anlage von mobilen Häusern in Punta Gorda. Die in Leichtbauweise hergestellten Unterkünfte wurden von Hurrikan „Charley“ in Sekundenschnelle zerstört – Reuters/Pierre Ducharme

Quelle: Financial Times Deutschland


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