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Unbegrenzte Kfz-Haftung auf der Kippe

Posted By Herbert Fromme On 17. September 2004 In Archiv,RTF Import | No Comments | Drucken

Rückversicherer dringen auch bei alten Verträgen auf Deckelung · Hohes Gefahrenpotenzial durch Großunfälle

Von Herbert Fromme, Monte Carlo Die Rückversicherer drängen die Versicherer zu einer Abschaffung der unbegrenzten Autohaftpflichtverträge mit ihren Kunden. Sie sollen möglichst schnell auf begrenzte Haftung umstellen, forderte Hans-Peter Gerhardt, Chef der Axa Re, beim Weltrückversicherertreffen in Monte Carlo. Vor dem Hintergrund des schweren Schadens nach einem Unfall an der Wiehltalbrücke bei Köln, der die Assekuranz nach jetzigen Schätzungen 32 Mio. Euro kostet, sei die Umstellung noch dringender. „In diese Richtung kann ich mir auch erheblichen Druck des Rückversicherungsmarktes vorstellen“, sagte Gerhardt. Die Axa Re selbst sei allerdings kaum betroffen.

Gerhardt ist mit seiner Forderung nicht allen. Am Sonntag hatte Münchener-Rück-Chef Nikolaus von Bomhard die Abschaffung dieser Deckungskonzepte gefordert. „Wir können nicht unbegrenzt haften“, sagte von Bomhard. Ähnlich äußerte sich Swiss-Re-Chef John Coomber.

Seit Anfang vergangenen Jahres stellen deutsche Versicherer nur noch Policen aus, die eine Höchsthaftung von 50 Mio. Euro vorsehen – ein Grund war die Furcht vor Terroranschlägen, die mit Hilfe von Fahrzeugen durchgeführt werden könnten und für deren Folgen der Kfz-Versicherer haftet. Außerdem gab es den ersten Megaschaden in der Autoversicherung im britischen Selby. Dort geriet 2001 ein Pkw auf Bahngleise, ein Zug entgleiste. Der Schaden kostete die Versicherer 70 Mio. Euro.

Noch haben mehr als 50 Prozent der deutschen Autofahrer Verträge mit der alten, unbegrenzten Deckung. Auch der BMW, der das Wiehltalunglück am 26. August auslöste, war so versichert. Bei dem Unfall durchbrach ein Tanklaster das Brückengeländer, stürzte 100 Meter in die Tiefe und brannte aus. Die Brücke muss nun aufwändig saniert werden. Von dem bisher geschätzten Schaden von 32 Mio. Euro trägt die Münchener Rück 17 Mio. Euro, der Erstversicherer Asstel, der zur Gothaer gehört, nur 100 000 Euro. Daneben sind noch andere Rückversicherer wie die Hannover Rück und der Londoner Versicherungsmarkt an dem Schaden beteiligt.

Grundsätzlich müssten Gerhardt zufolge die Preise in der Rückversicherung von Autohaftpflichtverträgen erhöht werden. „Alle Rückversicherer, die Schutzdeckungen in der Autoversicherung gegeben haben, haben heute erheblichen Nachreservierungsbedarf“, sagte Gerhardt. In Frankreich sei dieser „dramatisch“, es gebe ihn aber auch auf anderen Märkte. Wer in den 80er und 90er Jahren dieses Geschäft gezeichnet habe, müsse heute mit erheblich höheren Forderungen rechnen als damals erwartet. Der medizinische Fortschritt und neue Sicherungstechniken bei den Pkw seien dafür verantwortlich. „Damals rechnete man damit, dass Schwerverletzte im Schnitt noch zehn Jahre leben, jetzt müssen wir mit 40 Jahren rechnen.“ Auch die von Gerichten verhängten Schmerzensgelder gingen steil nach oben und müssten letztlich von Versicherern und Rückversicherern getragen werden. „In dieser Situation sind die verbleibenden unbeschränkten Haftungen ein zusätzliches Problem“, sagte Gerhardt.

Deutsche Rückversicherer wollen nach eigenem Bekunden aber keinen Druck auf die Erstversicherer ausüben. „Wir diskutieren das Problem mit unseren Kunden“, sagte eine Sprecherin der Münchener Rück. Ähnlich äußerte sich die Hannover Rück. Man sei auch kaum in der Position, in dieser Frage besonders rigide vorzugehen, da die Muttergesellschaft Talanx selbst ein großer Autoversicherer ist.

Nach Ansicht von Arno Junke, Vorstandsmitglied der Kölnischen Rück, wird sich der Bestand in den nächsten zwei bis drei Jahren erneuert haben. „Dann ist das Problem vom Tisch“, sagte Junke. Druck auf die Erstversicherer sei in dieser Lage eher kontraproduktiv. Aber auch die Kölnische Rück diskutiere das Problem bei jeder Vertragserneuerung – „schon damit wir genau wissen, welche Risiken wir eigentlich decken“.

Bild(er):

Ein Tankwagen stürzte am 26. August von der Wiehltalbrücke bei Gummersbach. Der Schaden kostet Millionen – ddp/Torsten Silz

Quelle: Financial Times Deutschland


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