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Alt wie neu – alles muss raus

Posted By Anja Krüger On 21. September 2004 In Archiv,RTF Import | No Comments | Drucken

In 101 Tagen endet das Steuerprivileg für Lebensversicherungen · Anbieter nutzen die Chance zum Policen-Schlussverkauf

Der Countdown läuft: In 101 Tagen endet das Steuerprivileg für Lebensversicherungen, die zum Vermögensaufbau gedacht sind. Wer nach dem 31. Dezember 2004 eine Lebensversicherung abschließt, muss bei der Auszahlung auf die Erträge Steuern zahlen. Mit dem Argument, ihnen dieses harte Schicksal ersparen zu wollen, sind derzeit Zehntausende Versicherungsvertreter unterwegs, um vor dem Stichtag Verträge an den Mann oder die Frau zu bringen. Einige Versicherer bieten sogar Policen an, mit denen Eltern heute dafür sorgen können, dass ihre Kinder steuerfrei Vermögen für ihre Altersversorgung in 60 Jahren aufbauen können (siehe Kasten).

Vertreter haben zwei Produkte im Aktenkoffer: die klassische Kapitallebensversicherung und die fondsgebundene Lebenspolice. Bei der klassischen Kapitallebensversicherung investiert der Anbieter das Geld, das nach Abzug der Kosten für die Vermittlerprovision, die Verwaltung und den Risikoschutz übrig bleibt, in festverzinsliche Wertpapiere, Immobilien und zum kleinen Teil in Aktien. Der Kunde erhält auf den Sparanteil seiner Prämie eine garantierte Mindestverzinsung, die zurzeit bei 2,75 Prozent liegt, und eine Gewinnbeteiligung, die jährlich neu festgelegt wird. Im Durchschnitt schreiben die Versicherer einschließlich der Mindestverzinsung ihren Kunden in diesem Jahr 4,4 Prozent gut. Das Investitionsrisiko liegt hier also beim Anbieter, der Kunde weiß bereits bei Vertragsabschluss, welche Summe er garantiert mindestens ausgezahlt bekommt.

Bei der fondsgebundenen Lebensversicherung fließt das Geld des Kunden nach Abzug der Kosten in verschiedene Fonds, die er teilweise selbst mit auswählen kann. Der Versicherte erhält keine Garantieverzinsung, hat aber auch höhere Renditechancen als bei einer klassischen Kapitallebensversicherung. Allerdings trägt er allein das Risiko. Will er es senken, muss er dafür extra zahlen oder in renditeschwächere Fonds investieren. Außerdem muss er auch die Managementkosten für die Fonds tragen. Ein Vorteil der fondsgebundenen Lebensversicherung gegenüber einem Fondssparplan ist – noch – die Steuerfreiheit der Erträge. Da sie keine Verzinsung garantieren müssen, können die Versicherer bei fondsgebundenen Produkten extrem lange Laufzeiten anbieten. Hier setzen neue, im Schlussverkauf jetzt besonders beworbene Produkte der Assekuranz an. „Die meisten Lebensversicherungen enden heute mit dem 60. oder 65. Lebensjahr des Kunden“, sagt Jochen Sturtzkopf, Vorstand des Versicherungsvertriebs Loyas. Das kann für den Kunden problematisch werden. „Will er das Geld erneut in einer Versicherung anlegen, muss er wieder Abschlusskosten zahlen und ab dem kommenden Jahr die Erträge versteuern“, erläutert Sturtzkopf.

Versicherer wie Gerling, LV 1871, Aspecta, Helvetia oder Skandia bieten fondsgebundene Policen an, die weit über das Renteneintrittsalter hinaus laufen – teilweise bis zum 100. Lebensjahr oder bis zum Lebensende. „Das bedeutet aber nicht, dass die Beitragsdauer genauso lange läuft“, erklärt Sturtzkopf. Der Kunde zahlt mindestens fünf und maximal 30 Jahre Beiträge. Danach bleibt das Geld angelegt. „Der Zinseszinseffekt ist bei langen Laufzeiten enorm hoch“, sagt Sturtzkopf. Die Versicherer versprechen Renditen von bis zu zwölf Prozent. „Ich halte Renditen von sechs Prozent für realistisch“, sagt Sturtzkopf.

Allerdings sind solche Verträge nicht billig. Die Kosten können je nach Anbieter bis zu zwölf Prozent der Beitragssumme betragen. Erst 10 bis 20 Jahre nach Vertragsabschluss wiegt der Steuervorteil den Kostennachteil auf. Stirbt der Kunde in den ersten Jahren nach Vertragsabschluss, erhalten die Hinterbliebenen 60 Prozent der vorgesehenen gesamten Beitragssumme. Für diesen Risikoschutz muss der Kunde zahlen. Hat er eine Summe in dieser Höhe angespart, fallen diese Kosten weg. „Das Produkt ist für Sparziele von 10 bis 15 Jahren nicht geeignet“, so Sturtzkopf. In dieser Zeitspanne ist der Vertrag zu kostenintensiv, um lukrativ zu sein. Außerdem können Kapitalmarktschwankungen nicht so gut ausgeglichen werden wie bei einer langen Laufzeit. Solche „Whole-Life-Produkte“ gibt es in Großbritannien seit langem. In Deutschland haben sie erst in den vergangenen Jahren Fuß gefasst.

Zitat:

„Der Zinseszinseffekt ist bei langen Laufzeiten enorm hoch“ – Jochen Sturtzkopf, Vorstand bei Loyas

Bild(er):

Nicht jeder Fisch ist frisch: Ähnlich den Marktschreiern bieten Zehntausende Versicherungsvertreter dieser Tage Lebenspolicen feil – darunter auch so manchen Ladenhüter – Laif/Joerg Modrow

Anja Krüger

Quelle: Financial Times Deutschland


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