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Finanzbranche droht mehr Staatsaufsicht

Posted By Herbert Fromme On 14. März 2005 In Archiv,RTF Import | No Comments | Drucken

Neue Rolle in der Altersvorsorge führt zu verschärfter Kontrolle

Von Herbert Fromme Gespannt wartet die deutsche Finanzbranche auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe. Die Richter wollen in den nächsten Wochen über mehrere Verfassungsbeschwerden von Lebensversicherungskunden befinden, die von der Verbrauchervereinigung Bund der Versicherten unterstützt werden. Die Entscheidung kann nach Auffassung von Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier „weitreichende Konsequenzen für den gesamten Sektor der Kapitallebensversicherung“ haben. Die Richter im Ersten Senat äußersten bei der mündlichen Verhandlung am 27. Oktober 2004 erhebliche Zweifel an der Transparenz der Lebensversicherung.

Es scheint möglich, dass die Assekuranz viel mehr Offenheit zeigen muss. Bisher weisen die meisten Gesellschaften nicht aus, wie viel vom Geld des Kunden für Kosten, für den Risikoschutz und für den eigentlichen Sparprozess verwendet wird. Versicherungs-Ombudsmann Wolfgang Römer – früher Richter am Bundesgerichtshof – verwies in seiner Aussage vor dem Verfassungsgericht auf zahlreiche Beschwerden von Kunden. „Das eigentliche Problem in der Praxis ist die mangelnde Information“ , sagte Römer.

Transparenz im Trend

Ein Urteil für mehr Transparenz läge im Trend. Denn während Versicherer, Banken und Fondsgesellschaften von staatlicher Hilfe beim Ausbau der privaten Altersvorsorge profitieren, wächst der Drang von Politikern und Beamten, die Finanzbranchen enger zu kontrollieren. Zwar wird es wohl kaum so weit kommen wie in der Schweiz. Dort legt der Staat die Mindestzinsen für die verpflichtende betriebliche Altersversorgung fest und hat indirekt dadurch eine schwere Krise der Branche ausgelöst, die Probleme mit dem Verdienen der hohen Mindestzinsen hatte. Aber das Beispiel zeigt die Richtung an, in die staatliche Aufsicht gehen kann, wenn die privaten Versicherer plötzlich Aufgaben wahrnehmen, die lange Zeit dem Staat vorbehalten waren.

In Großbritannien hat die Aufsicht nach mehreren Skandalen den Vertrieben eine sehr kurze Leine angelegt. „In Großbritannien brauchen wir für zehn Berater einen Compliance-Officer“, sagt Carsten Maschmeyer, Chef des Finanzvertriebs AWD. In Deutschland habe der Konzern insgesamt nur drei.

Die neue Macht der Aufseher zeigte sich in der Börsenkrise. Die Finanzaufsicht BaFin konnte in wenigen Wochen die Einrichtung eines Notfallfonds für gescheiterte Lebensversicherer durchsetzen – gegen den die Assekuranz sich jahrzehntelang erfolgreich gewehrt hatte.

Mehr Kontrolle bringen ebenfalls die neuen Eigenkapitalvorschriften auf EU-Ebene, die analog zu Basel II bei den Banken Solvency II heißen. Auch der Plan, im neuen Versicherungsvertragsgesetz den Kunden einen garantierten Rückkaufswert für ihre Verträge einzuräumen, lässt die Branche schaudern.

Quelle: Financial Times Deutschland


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