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Der letzte Schritt der Liberalisierung

Posted By Friederike Krieger On 14. November 2005 In Archiv,RTF Import | No Comments | Drucken

Noch gehört die Swisscom zu zwei Dritteln dem Schweizer Staat. Jetzt soll sie ihre Leitungen privaten Wettbewerbern öffnen.

VON Friederike Krieger Swisscom, der ehemalige Monopolist des Schweizer Telekommunikationsmarktes, blickt in eine unsichere Zukunft. Seine Erwartungen für 2005 musste der Konzern „als Folge des hohen Konkurrenz- und Preisdrucks“ nach unten korrigieren. Der letzte Schritt zur Liberalisierung steht Swisscom aber noch aus: der gesetzliche Zwang, die Leitungen an die Konkurrenz zu vermieten. Daneben läuft das Unternehmen Gefahr, von privaten Anbietern übernommen zu werden.

Die Liberalisierung des eidgenössischen Telekommunikationsmarktes hat 1998 begonnen. Seither ist viel passiert: Inzwischen zählt der Markt an die 400 Anbieter. Ein dreiminütiges Ferngespräch im Festnetz kostet 60 bis 70 Prozent weniger als vor Öffnung des Marktes. „Im Bereich der Minutenpreise wird heftig gekämpft“, sagte Uwe Neumann, Telekom-Analyst bei Credit Suisse. Der Marktanteil der Swisscom im Festnetz ist bereits auf 57 Prozent geschrumpft.

Anders sieht es im Mobilfunkmarkt aus: Hier bemängeln die Liberalisierungswächter vom Bundesamt für Kommunikation (Bakom), dass die Tarife deutlich über dem europäischen Durchschnitt liegen. Auf dem Mobilfunkmarkt sind neben dem ehemaligen Monopolisten nur zwei Wettbewerber aktiv: die zum dänischen Anbieter TDC gehörende Sunrise und Orange, eine Tochter von France Télécom. „Bei einer solchen Anbieterstruktur ist Parallelverhalten natürlich möglich“, sagt Stephan Colombo von der Bakom.

Ein Dorn im Auge der Regulierer ist auch die Höhe der so genannten Interkonnektionspreise. Das sind Gebühren, die Swisscom von anderen Anbietern für die Mitbenutzung der Netzinfrastruktur verlangt. Auch die Terminierungsgebühren, die beim Anruf ins Handynetz von Swisscom fällig werden, sind umstritten. Beide Posten hat der ehemalige Monopolist inzwischen gesenkt. „Neben den rückläufigen Einnahmen im Festnetzmarkt hat das wesentlich zu der Korrektur der Erwartungen beigetragen“, sagt Telekom-Analyst Neumann. Für 2005 rechnet der ehemalige Monopolist mit einem Umsatzrückgang von rund 10 Mrd. Franken.

Die geplante Novelle des Fernmeldegesetzes dürfte den Druck auf die Swisscom noch verstärken. Sie sieht die „Entbündelung der Anschlüsse“ vor. Danach könnten künftig die konkurrierenden Anbieter Leitungen der Swisscom zur ausschließlichen Nutzung anmieten. „Bei der Entbündelung trägt Swisscom bei Investitionen in die Infrastruktur alleine das Risiko, die Konkurrenten können jedoch als Trittbrettfahrer davon profitieren“, heißt es beim Konzern.

Regulierungsbehörde und Konkurrenz feiern den Vorstoß der Schweizer Regierung dagegen als letzte Meile der Liberalisierung. „Ohne Entbündelung sind die anderen Anbieterinnen nicht in der Lage, bessere Produkte anzubieten als diejenigen, welche die Swisscom zum Wiederverkauf bereitstellt“, argumentierte die Eidgenössische Kommunikationskommission (ComCom). Erst wenn ihnen ein direkter Zugang zum Kunden ermöglicht würde, könnten sie den Wettbewerb mit innovativen Angeboten anheizen.

Gleichzeitig bekommt Swisscom Infrastruktur-Konkurrenz von Seiten der TV-Kabelbetreiber. Marktführer Cablecom, dessen Kabelnetze in 80 Prozent der Haushalte reichen, bietet seit Anfang des Jahres 2003 auch Internet- und Telefoniedienste an. 150 000 Kunden habe man bereits gewinnen können, Tendenz steigend, sagt Cablecom-Sprecher Thomas Howege.

Angesichts schwindender Einnahmequellen sucht Swisscom sein Heil im Wachstum – und trifft auf neue Probleme. Wegen Wettbewerbsregelungen kann der Konzern im heimischen Markt nicht expandieren. Doch auch Akquisitionen im Ausland sind nicht einfach, da sich 66 Prozent des Telekomkonzerns noch im Staatsbesitz befinden. So platzte im vergangenen Jahr die Übernahme von Telekom Austria, weil die Österreicher nicht an ein Staatsunternehmen verkaufen wollten.

Dabei läuft die Swisscom selbst Gefahr, verkauft zu werden. Anfang nächsten Jahres wird der Bundesrat entscheiden, ob der 17,5 Mrd. Franken teure Staatsanteil an Swisscom veräußert werden soll. „Bei einem Verkauf wäre die Swisscom ausländischen Übernahmen gegenüber schutzlos ausgeliefert“, sagte Telekomanalyst Neumann.

Zitat:

“ „Im Bereich der Minutenpreise wird heftig gekämpft“ “ – Uwe Neumann,Telekomanalyst –

Bild(er):

Telefone der Swisscom am Zürcher Hauptbahnhof : Der Festnetz-Marktanteil des Unternehmens liegt nur noch bei 57 Prozent – Travelstock 44

Quelle: Financial Times Deutschland


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