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Die wahrenProfiteure der Globalisierung

Posted By Herbert Fromme On 30. November 2005 In Archiv,RTF Import | No Comments | Drucken

Mit dem Welthandel wächst der Bedarf, Forderungen gegen ferne Kunden abzusichern. Gewinner sind die Spezialisten für Kreditversicherung – und ihre Rückversicherer.

VON Herbert Fromme Sechs Spezialisten arbeiten in einem kleinen Büro in Shanghai und analysieren die Bonität chinesischer Unternehmen. Kein leichter Job: Daten sind schwer zu bekommen, die Mischung aus staatlicher und privater Wirtschaft macht ihre Interpretation kompliziert. Ihr Arbeitgeber ist die Euler Hermes Gruppe, Allianz-Konzerngesellschaft und weltgrößter Kreditversicherer.

In China selbst macht Euler Hermes weniger als 2 Mio. Euro Umsatz, aber der Einsatz der Experten lohnt sich. „Die Kosten werden von den Euler-Hermes-Gesellschaften in Europa getragen, denn wir versichern Exporte nach China“, sagt Euler-Hermes-Chef Clemens von Weichs. Ohne die Risikobeurteilung vor Ort wäre der Schutz europäischer Unternehmen vor der Zahlungsunfähigkeit ihrer asiatischen Kunden fast unmöglich. Von Weichs kennt die Probleme vor Ort. „Nichts ist schlimmer als die Einschätzung von Unternehmen, die sehr rasch wachsen“, sagt er zur chinesischen Boomwirtschaft. „Die Datenlage ändert sich ständig.“ Wer schnell wächst, kann sich dabei auch leicht verheben.

Die Kreditversicherer gehören zu den wahren Gewinnern der Globalisierung. Exportorientierte Unternehmen sind auf ihren Schutz angewiesen. Für immer weniger Länder bietet der Staat Bürgschaften an, in Deutschland die Hermes-Deckungen. Sie werden von der Euler-Hermes-Tochter in Hamburg verwaltet, das Risiko trägt aber die Regierung.

Für die allermeisten Exportrisiken müssen sich die Lieferanten privaten Versicherungsschutz kaufen. Für die Kreditversicherer bedeutet das: Sie benötigen Informationen über Unternehmen in jedem Winkel dieser Erde. Fast immer versuchen sie dann, auch in diesen Ländern exportierende Firmen zu versichern. Schließlich ist der Welthandel keine Einbahnstraße, und die Daten über europäische oder amerikanische Käufer haben sie ohnehin schon.

„Unser internationales Geschäft läuft ausgezeichnet“, berichtet auch Peter Ingenlath, Vorstandsmitglied bei Atradius. In Japan betreibt der Kreditversicherer erfolgreich ein Joint Venture mit der Versicherungsgruppe Tokio Marine and Fire. Auch in China mache das Unternehmen Fortschritte, das gleiche gelte für die Niederlassung in Brasilien. Richtig ins Schwärmen kommt Ingenlath, wenn es um Osteuropa geht. „Das ist extrem erfreulich.“ Gerade der Handelsboom seit der EU-Mitgliedschaft sorgt für kräftige Zuwachsraten. Das selbe melden auch die Atradius-Konkurrenten Euler Hermes und Coface. Coface ist mit Niederlassungen und Büros in fast allen osteuropäischen Ländern vertreten. Euler Hermes erzielte 2004 rund fünf Prozent des Umsatzes in den „emerging markets“, 2005 werden es knapp acht Prozent sein.

Schwerer getan haben sich die Unternehmen bisher in den USA. Dort beherrschen die Banken mit ihren Akkreditiven den Markt. Euler-Hermes-Chef von Weichs sieht aber deutliche Fortschritte in der Region. „Wir haben den eigenen Vertrieb ausgebaut und die Vergütung verändert. Wir zahlen den Agenten mehr für den Abschluss“, sagte er. „Unser Marktanteil ist noch im Promillebereich. Aber das ist ein gigantischer Wachstumsmarkt.“

Ausweitung und Globalisierung ihres Geschäfts bringen den Versicherern aber auch Probleme. Ihre Risiken werden größer. Sie müssen entsprechend kapitalisiert sein. Mit Sorge sieht so mancher Kreditversicherungsmanager die Turbulenzen bei wichtigen Autokonzernen. Wenn ein Megakonzern vom Kaliber General Motors kollabieren sollte, würde das zahlreiche Zulieferer in den Abgrund reißen – und die Kreditversicherer Millionen kosten. Dagegen wären die Pleiten bei Walter Bau oder dem Hausgerätehändler Brinkmann, die deutliche Spuren in den Bilanzen hinterließen, kleine Schäden.

Es liegt deshalb im System der Kreditversicherung, dass sie Rückversicherungsschutz einkaufen. Es gab Zeiten, da haben die Kreditversicherer 60 Prozent und mehr ihres Geschäfts an Rückversicherer weitergegeben, die sich entsprechend an den Verlusten beteiligten. Mit der zunehmenden Gesundung des Marktes in den vergangenen Jahren geht der Trend zu höheren Eigenbehalten, heute sind 40 Prozent normal. Aber ganz ohne Rückdeckung könnte ein Kreditversicherer sein Geschäft nicht fahren – es sei denn, er hätte ein absurd hohes Eigenkapital, auf das sich niemals ein vernünftiger Ertrag erwirtschaften ließe.

Die Rückversicherer nehmen das Geschäft gern. „Die Profitabilität der Kreditversicherung konnte weiter gesteigert werden“, sagt Wilhelm Zeller, Chef der Hannover Rück, über das Jahr 2004. Münchener Rück, Swiss Re, Hannover Rück und andere große Namen sind auch in der Kreditversicherung aktiv. Die Münchener Rück verzeichnete 2004 zwar in diesem Feld einen Umsatzrückgang von 620 Mio. Euro auf 574 Mio. Euro, ist aber mit dem Ergebnis hoch zufrieden. „Das legte im Vergleich zum Vorjahr nochmals beträchtlich zu“, hieß es. Swiss Re ist selbst an einem Kreditversicherer beteiligt, sie hält 34,95 Prozent an der Atradius. Aber auch im Kerngeschäft Rückversicherung ist die Sparte äußerst wichtig für das Unternehmen, das sich hier als Weltmarktführer sieht.

Zitat:

“ „Die Profitabilität der Kreditversicherung konnte weiter gesteigert werden“ “ – Wilhelm Zeller,Hannover Rück –

Bild(er):

Mit dem Schraubkarabiner sichern sich Kletterpartner vor Stürzen am Fels ab. Dabei läuft das Seil im Halbmastwurf, einem speziellen Knoten, durch den Karabiner – Black Diamond/Jürgen Schwarz

Quelle: Financial Times Deutschland


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