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Viel Feind, viel Ehr‘

Posted By Herbert Fromme On 15. Februar 2006 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

Nur selten zuvor stand eine Ratingagentur so in der Öffentlichkeit wie derzeit Fitch. Ihr Streit mit derVersicherungswirtschaft und der WestLB sorgt für große Resonanz – positive ebenso wie negative.

Von Yasmin Osman, Frankfurt, und Herbert Fromme, Köln Zu wenig Aufmerksamkeit ist für Rating-Agenturen mit internationalen Ambitionen üblicherweise ein Problem. Gerade die Agentur Fitch Ratings – international die Nummer drei hinter Standard & Poor’s (S&P) und Moody’s – hat in den vergangenen Jahren viel getan, um bekannter zu werden. Doch auf die aktuellen Schlagzeilen würde die Agentur wohl lieber verzichten. Sowohl WestLB als auch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) werfen Fitch vor, gegen die eigenen Verhaltensregeln verstoßen zu haben – die WestLB hat ihren Vertrag mit Fitch sogar gekündigt.

Dass gerade Fitch der Bannstrahl der Kritik trifft, erstaunt kaum – schließlich hat die Agentur den Abstand zu S&P und Moody’s verkürzt. „Der Markt geht dazu über, auch die Meinung von Fitch bei der Analyse zu berücksichtigen“, sagt Fondsmanager Thomas Schneider von Frankfurt Trust. „Und Fitch versucht, sich stärker im Bewusstsein der Öffentlichkeit zu verankern.“

In der Bankenbranche ist Fitch Marktführer und weitaus wichtiger als im Unternehmensbereich. Urteile von Fitch-Analysten, die unter Investoren einen sehr guten Ruf genießen, wiegen ungleich schwerer als dies für Unternehmens-Ratings gilt. Der Grund: Fitch ging aus dem Zusammenschluss der britischen Agentur Ibca, die auf den Finanzsektor spezialisiert war, und der US-Agentur Fitch hervor.

In der Versicherungsbranche drängte Fitch dagegen erst spät auf den deutschen Markt – nach S&P, Moody’s und AM Best. Die Art, wie Fitch um Marktanteile kämpfte, bezeichnen Kritiker als „Brechstangenmethode“. Zwar habe Fitch mit seinen Branchenberichten oft den Finger in die Wunde gelegt, sei aber in den Schlussfolgerungen über das Ziel hinausgeschossen.

Der Aufreger des vergangenen Jahres waren die Q-Ratings – quantitative Finanzstärkeratings, die auf Basis öffentlich zugänglicher Informationen erstellt werden. Mit diesen Massenratings setze die Agentur die Assekuranz unter Druck, bezahlte Ratings zu akzeptieren, sagen Kritiker. Fitch wiederum argumentiert mit dem Interesse vieler Marktteilnehmer: Auch andere Agenturen erstellten Ratings ohne Auftrag, so auch S&P. „Bei den Versicherungen haben wir das wegen des Interesses der Rückversicherer eingeführt“, sagt Tor-

sten Hinrichs, Deutschlandchef von S&P. „Dass das Rating auf öffentlichen Informationen beruht, wird dabei jedes Mal kommuniziert.“

S&P hat selbst Erfahrung mit Kommunikationsproblemen. Als die Agentur nach einjährigem Diskussionsprozess dazu überging, Pensionslasten als Schulden zu bewerten, ging ein Sturm der Entrüstung durch Politik und Industrielandschaft. Prominentestes Opfer war der Stahlkonzern ThyssenKrupp, der nur noch ein spekulatives Rating erhielt. Daraus hat S&P gelernt. „Wir haben das Ergebnis nicht, wie wir es heute tun würden, in Form von formellen Konsultationen mit den Verbänden und der Aufsicht diskutiert“, sagt Hinrichs.

Auch den GDV stört, dass Fitch unbezahlte Ratings nicht als solche gekennzeichnet habe. Die Regeln von Fitch besagen aber, dass von der Agentur angeregte Bewertungen gekennzeichnet werden. Das geschehe auch, rechtfertigt sich der Leiter der Credit Policy von Fitch, Richard Hunter. So werde dies in der Pressemitteilung kommuniziert, mit der die Bewertung aufgenommen werde. Zudem sei die Information telefonisch bei Fitch erhältlich. Bei allen folgenden Mitteilungen gehe aus den Presseerklärungen nicht hervor, auf wessen Initiative hin das Rating aufgenommen wurde, sagt Hunter. Jedoch macht Fitch kenntlich, ob das Unternehmen Zusatzinfos geliefert hat oder nicht – für bezahlte und unbezahlte Noten.

Investoren sehen die Angelegenheit gelassener. Fitch wird sogar als mutig gelobt, da die Agentur für Transparenz sorge. „In Deutschland wird zu viel über die Rechte der Emittenten und zu wenig über die Interessen der Investoren geredet“, moniert ein Vermögensverwalter. „Der Fehler liegt auch im System“, sagt ein Fondsmanager. „Agenturen werden meist für unabhängige, allwissende Wächter gehalten. Sie sind aber weder Wirtschaftsprüfer noch völlig unabhängig.“

Bild(er):

Ein Bomben-Rating ist „BBB-“ nicht gerade. Eine Bonität dieser Note birgt für ein Unternehmen Sprengstoff – genau wie der Streit der Agentur Fitch mit der deutschen Finanzgemeinde – Corbis; FTD-Montage

www.ftd.de/fitch

Quelle: Financial Times Deutschland


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