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Gerling fürchtet Millionenschaden wegen Tegenero

Posted By Herbert Fromme On 23. Mai 2006 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

Versicherung von desaströsem Medikamententest in Großbritannien führt zu Belastung · Pharmaindustrie muss mit Preissteigerungen rechnen

Von Herbert Fromme und Anja Krüger, Köln Der Gerling-Konzern muss mit einer Schadenbelastung von bis zu 2 Mio. £ (2,94 Mio. Euro) aus der Versicherung eines fehlgeschlagenen Medikamententests in Großbritannien rechnen. Das bestätigte das Unternehmen der FTD. Ein Teil davon sei rückversichert gewesen.

Gerling hat das Würzburger Biotechnologie-Unternehmen Tegenero versichert. Kurz nach der Einnahme der neuen Substanz TGN1412, die bei rheumatischen Entzündungen, Autoimmunerkrankungen und Leukämie eingesetzt werden soll, waren bei sechs gesunden jungen Männern dramatische Nebenwirkungen aufgetreten. Zwei Versuchsteilnehmer sind bei dem Test fast gestorben, einer wird bleibende Schäden davontragen. Der Test führte unter anderem zu schweren Schäden an den inneren Organen.

„Wir haben bislang eine Abschlagszahlung von 70 000 £ an die sechs betroffenen Patienten geleistet“, sagte ein Gerling-Sprecher. Die endgültige Schadenzahlung dürfte sehr viel höher liegen. Gerling will aber auch künftig die für klinische Versuche mit Medikamenten nötige Deckung bereitstellen.

Der Schaden trifft den Markt und die Pharmahersteller in einem äußerst kritischen Stadium. Denn künftig dürfte die Kapazität für die Versicherung der pharmazeutischen Industrie knapper werden – das ist eine Folge der Übernahme der Gerling-Versicherer durch die Talanx-Gruppe.

Nach einer Beschwerde deutscher Pharmahersteller gegen die Fusion hatte die EU-Kommission den Deal nur mit einer Auflage genehmigt – eine der beiden Firmen muss die Pharma-Haftpflicht aufgeben. Die Talanx-Tochter HDI Industrie zeichnet deshalb kein neues Pharma-Haftpflichtgeschäft mehr, und dieses Ergebnis hatte die Pharmabranche nun ganz und gar nicht gewollt.

Haftpflichtverträge für die Pharmaindustrie gehören zu den schwierigsten Geschäftsfeldern in der Industrieversicherung. Melden Verbraucher wegen unerwünschter Nebenwirkungen wie bei den Medikamenten Vioxx und Lipobay Ansprüche an, erreichen die Schäden schnell einige Hundert Millionen Euro. Gerling und HDI sind in der Pharma-Haftpflicht die größten Anbieter in Deutschland.

Talanx will die EU-Auflage schon 2006 erfüllen. „Gerling kann ohne Probleme seine Kapazitäten ausweiten und auch zum führenden Versicherer bei Risiken werden“, sagt Talanx-Vorstand Christian Hinsch.

Haftpflichtexpertin Irene Hauschild vom Versicherungsmakler Marsh hält es für möglich, dass neue Anbieter auf den Markt kommen und die Kapazitäten nicht knapp werden. „Wir sind darauf eingestellt, dass einige Versicherer erwägen werden, Pharma-Haftpflicht anzubieten oder auszuweiten“, sagt sie. Jörg Bechert vom Versicherungsmakler Aon Jauch & Hübener dagegen erwartet nach dem HDI-Rückzug eine Kapazitätslücke. Anbieter, die diese Lücke füllen könnten, wollten das nicht, sagt er. „Es wird noch weniger Kapazitäten geben.“

Auch der Rückversicherer Münchener Rück hält eine Verringerung der Kapazitäten für wahrscheinlich. „Die Frage ist, ob sie schnell ersetzt werden können“, sagt Thomas Wollstein von der Münchener Rück. Das sei wegen der besonderen Risikosituation schwierig. „Die Haltung der Versicherer gegenüber großen Pharma-Unternehmen ist zurückhaltend. Wir sehen nicht, dass Kapazität von woanders kommt.“ Eine Konsequenz könnten steigende Preise sein.

Zitat:

„Es wird noch weniger Kapazitäten geben“ – Versicherungsmakler Jörg Bechert –

Quelle: Financial Times Deutschland


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