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Gutes tun und daran verdienen

Posted By Patrick Hagen On 31. Mai 2006 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

Anleger haben erkannt, dass eine gute CSR-Strategie nicht nur dem Unternehmensimage dient, sondern auch dem Aktienkurs. Nachhaltige Investments gewinnen daher an Attraktivität. Positiver Nebeneffekt: Sie beruhigen das Gewissen

VON Patrick Hagen Früher war Klebstoff eine populäre Droge bei Straßenkindern in Chile. Heute gibt es dort keine Kleber mehr mit berauschenden Lösungsmitteln. Zu verdanken ist das dem Chemiekonzern Henkel, der als erster Hersteller einen Klebstoff auf Wasserbasis auf den Markt gebracht hat. Die Kunden kauften den neuen Kleber aber zunächst nicht, da ihnen der vertraute Geruch fehlte. Henkel büßte Marktanteile ein. „Wirtschaftlich war das keine Erfolgsstory“, sagt Henkel-Sprecher Wolfgang Zengerling. Mittlerweile hat die chilenische Regierung die Lösungsmittel sogar verboten. Dennoch konnte Henkel die verlorenen Marktanteile bis heute nicht vollständig zurückgewinnen. „Trotzdem war die Entscheidung absolut richtig“, sagt Zengerling.

Immer mehr Unternehmen in Deutschland fühlen sich nicht mehr nur ihren Kapitalgebern, sondern auch den Interessen von Mitarbeitern, Gesellschaft und Umwelt verpflichtet. Für diese Form unternehmerischen Handelns, das über die reine Geschäftstätigkeit hinausgeht, hat sich die Bezeichnung Corporate Social Responsibility (CSR) durchgesetzt. Der Begriff CSR ist allerdings nicht klar definiert und kann vieles bedeuten: vom Sponsoring von Sportveranstaltungen bis zur Garantie, dass ein Unternehmen nach sozialen und ökologischen Kriterien produziert.

Das Motiv der Unternehmen ist nicht nur reine Wohltätigkeit. Einige Firmen mussten in der Vergangenheit lernen, dass unverantwortliches unternehmerisches Handeln auch Risiken birgt. „Der Auslöser für eine strategische Ausrichtung von gesellschaftlichem Engagement bei den Unternehmen kam häufig von außen“, sagt Norbert Taubken von der Hamburger Beratungsagentur CSR Consult. „Internationale Nichtregierungsorganisationen üben in der westlichen Welt mittlerweile einen starken Einfluss aus.“ Wenn Firmen Kinder für sich arbeiten lassen oder Umweltschäden verursachen, drohen ihnen Imageschäden und Kundenboykotte. „Eine wachsende Zahl an Kunden wünscht sich Produkte, die nach bestimmten Standards hergestellt werden“, sagt Taubken.

Als dem Chemiekonzern Bayer vorgeworfen wurde, von Kinderarbeit bei Zuliefererfirmen in Indien zu profitieren, reagierte er mit einem Aktionsplan. „Es kann nicht im Interesse von Bayer sein, Kinder zu beschäftigen“, sagt Annette Josten, Sprecherin der Bayer-Landwirtschaftssparte Crop Science. Das Unternehmen werde nun stärker überwachen, ob die Zulieferer sich an das Verbot von Kinderarbeit halten. Überdies will Bayer Kindern, die bisher auf Baumwollfeldern gearbeitet haben, den Schulbesuch ermöglichen.

Auch Investoren interessiert zunehmend, ob Unternehmen das angelegte Geld durch eine solide CSR-Strategie absichern. Research- und Rating-Agenturen wie Scoris und Oekom orientieren die Anleger mit Nachhaltigkeitsrankings, in denen sie das Engagement von Unternehmen bewerten. In den vergangenen Jahren sind etliche Aktienindizes entstanden, die Unternehmen nach ökologischen, sozialen oder ethischen Kriterien auswählen. Der bekannteste dieser so genannten Nachhaltigkeitsindizes ist der Dow-Jones-Sustainability-Index (DJSI), den die Schweizer Gesellschaft Sustainable Asset Management (SAM) 1999 aufgelegt hat. Der DJSI enthält die besten zehn Prozent der Unternehmen einer Branche, gemessen an ihrer ökonomischen, sozialen und ökologischen Leistung. Unter den etwa 300 Unternehmen des Index befinden sich auch Bayer, Adidas und SAP. Seit 2001 gibt es den europäischen Ableger Dow-Jones-Stoxx-Sustainability-Index.

Wer mit gutem Gewissen Geld anlegen möchte, muss nicht auf Rendite verzichten. „Es gibt im Durchschnitt keine signifikant schlechtere Entwicklung bei nachhaltigen Investitionen“, sagt Paschen von Flotow, Leiter des Sustainable Business Institute (SBI) an der European Business School in Oestrich-Winkel. Nachhaltige Investmentfonds können hohe Wachstumsraten verzeichnen. Ihr Volumen ist im deutschsprachigen Raum nach Angaben des SBI 2005 um etwa 74 Prozent gestiegen. Das Vermögen der 112 zugelassenen Fonds habe im selben Jahr 9,2 Mrd.Euro betragen. „Auch für 2006 rechnen wir mit einem deutlichen Zuwachs“, sagt von Flotow. Bislang sind Nachhaltigkeitsfonds trotz hoher Wachstumsraten immer noch ein Nischenmarkt.

Auch für renditeorientierte Investoren hat CSR in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen. Laut einer Studie der Beratungsfirma Systain Consulting und der Hamburger Universität in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bank ist CSR insbesondere bei angelsächsischen Investoren inzwischen ein Entscheidungskriterium. Investoren seien bereit, bis zu acht Prozent mehr für Aktien von Unternehmen mit guter CSR-Strategie zu bezahlen. Für die Studie wurden 117 führende Analysten und 47 Investoren befragt, darunter Goldman Sachs, Merrill Lynch und JP Morgan. „Die Investoren wollen Transparenz über das Geschäftsgebaren von Unternehmen haben“, sagt Joachim Schlange von Systain.

Bis zum 1. Mai dieses Jahres haben sich 55 Großinvestoren zu den UN-Prinzipien für verantwortliche Investitionen bekannt. Die „Principles for Responsible Investment“ fordern, dass soziale und ökologische Kriterien bei der Kapitalanlage berücksichtigt werden. Zu den Erstunterzeichnern gehörte der Rückversicherer Münchener Rück. Bei Rückversicherern lassen Erstversicherer ihre Risiken abdecken.

Investoren haben erkannt, dass eine gute CSR-Strategie nicht nur der Reputation eines Unternehmens nützt, sondern auch positive Auswirkungen auf den Aktienkurs haben kann. Laut einer Studie der WestLB haben Unternehmen, die neu in den DJSI aufgenommen wurden, eine bis zu 15 Prozent bessere Kursentwicklung als solche, die aus dem Index herausgenommen wurden. „Risikomanagement ist die Schnittstelle, an der sich auch klassische Investoren für CSR interessieren“, sagt Petra Kachel vom Deutschen Aktieninstitut. „Unternehmen, die nachweisen, dass sie auch nicht finanzielle Risiken im Blick haben, werden sich langfristig besser auf dem Markt positionieren können.“

Deutsche Unternehmen sehen mit ihren CSR-Strategien im internationalen Vergleich eher schlecht aus. „Die überwiegende Zahl der CSR-Vorreiter kommt aus dem angelsächsischen Raum“, sagt Henry Schäfer, Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Finanzwirtschaft an der Universität Stuttgart. In Deutschland würden Unternehmen CSR häufig nur als Kostenthema empfinden und die wertsteigernden Aspekte nicht sehen. „CSR kann den Unternehmenswert steigern“, sagt Kai von Bargen, Sprecher des Chemiekonzerns Henkel. Henkel gilt als einer der Vorreiter in der Umsetzung von CSR-Strategien in Deutschland. „Die gute Reputation eines Unternehmens schlägt sich irgendwann auch messbar nieder.“

Zitat:

“ „Es gibt im Durchschnitt keine signifikant schlechtere Entwicklung bei nachhaltigen Investitionen“ “ – Paschen von Flotow,European Business School Oestrich-Winkel –

Bild(er):

In einer indischen Teppichweberei schaut ein Kind durch Kettfäden. Unternehmen, die ihre Produkte von Kindern fertigen lassen, schaden ihrem Ruf bei Kunden und Investoren. Wer stattdessen Schulen baut, kann damit seinen Aktienkurs steigern – Krombacher; Columbus Art Foundation; Agentur Focus/Anita Khemka; Caro Fotoagentur/C. Mathaes

Quelle: Financial Times Deutschland


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