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Innerbetriebliche Kulturdefizite

Posted By Herbert Fromme On 9. Juni 2006 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

Herbert Fromme Schlechte Stimmung bei vielen Allianz-Mitarbeitern, Unruhe bei Gerling und täglich Meldungen über den Abgang von angesehenen Spitzenmanagern. Die beiden größten Versicherungsfusionen laufen nicht gut.

Das hat viel mit langen Phasen großer Unsicherheit zu tun. Die Allianz hat die Quasi-Fusion ihrer innerdeutschen Töchter vor zehn Monaten beschlossen – und wird in diesen Wochen ihre Mitarbeiter unterrichten, wer künftig welche Arbeit wo macht und wer ohne Job dasteht. Die Gerling-Übernahme durch Talanx ist seit Oktober 2005 beschlossene Sache, jetzt versprach der Vorstand die Vorlage des Feinkonzepts für Ende Juli.

Die Probleme sind nicht auf die beiden Gesellschaften beschränkt. Ergo/Münchener Rück haben ein Desaster in der Zusammenführung ihrer Datenverarbeitung hinter sich, die Gothaer einen gigantischen Antragsüberhang nach der Einführung billiger Callcenter-Lösungen. Reorganisieren und fusionieren scheinen nicht die größten Stärken deutscher Versicherungsmanager zu sein. Das hat einerseits mit ihren individuellen Fähigkeiten zu tun. Andererseits ist das häufige Chaos bei der Umsetzung der auf Beraterfolien so schick aussehenden neuen Strukturen Ergebnis innerbetrieblicher Kulturdefizite. Nicht umsonst heißen die Chefs bei vielen Gesellschaften immer noch „General“, wie zu den Zeiten, in denen Generaldirektoren über Versicherungsbeamte regierten. Befehl und Gehorsam führen aber selten zur Höchstleistung der Mitarbeiter.

Manche Konzernchefs sehen das. Axa-Chef Henri de Castries zum Beispiel hat eine weltweite Charmeoffensive bei den eigenen Mitarbeitern gestartet, Beschäftigungspakte inklusive. Er hat erkannt, dass ein Haupthindernis für seine ehrgeizigen Wachstumspläne die mangelnde Motivation vieler Mitarbeiter ist. Wenn sich der Staub bei Allianz und Talanx/Gerling gelegt hat, werden auch deren Führungsetagen sehen, dass oft die Falschen gegangen sind – oder gehen mussten – und die neue Struktur zwar Kosten spart, aber erst noch beweisen muss, dass sie auch Gewinne liefert.

Herbert Fromme ist Versicherungskorrespondent der FTD.

e-mail fromme.herbert@ftd.de

Quelle: Financial Times Deutschland


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