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Lebensversicherer verkaufen gut

Posted By Herbert Fromme On 6. September 2006 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

Starker Zuwachs im ersten Halbjahr · Aber nur Geschäfte gegen Einmalbeitrag und mit Riester boomen

Von Herbert Fromme, Berlin Die deutschen Lebensversicherer setzen mehr ab als erwartet. Im ersten Halbjahr stieg die Zahl der abgesetzten Verträge auf 3,82 Millionen, 14 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des allerdings sehr schwachen Jahres 2005. Das ermittelte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).

Auch bei der Beitragssumme der neuen Verträge konnte GDV-Geschäftsführer Wolf-Rüdiger Heilmann einen Zuwachs um 30 Prozent auf 7,98 Mrd. Euro melden. Ähnliches gilt für die eingenommenen Beiträge. „Wir erwarten bei den Beitragseinnahmen eine Steigerung um vier Prozent“, sagte Heilmann. Noch im März war der GDV von einer Steigerung um nur 2,5 Prozent ausgegangen. 2005 hatten die Lebensversicherer 72,6 Mrd. Euro an Beiträgen eingenommen, ein Plus von 6,1 Prozent. Einschließlich der Pensionskassen und -fonds waren es sogar 75,2 Mrd. Euro, ein Zuwachs von 6,9 Prozent. Die 80 Millionen Bewohner Deutschlands haben insgesamt 94 Millionen Lebensversicherungsverträge abgeschlossen. Diese Zahl werde 2006 stagnieren, sagte Heilmann.

Der neue Optimismus der Verbandsführung steht im Gegensatz zu den zurückhaltenden Berichten aus vielen Unternehmen, die über stagnierendes oder kaum wachsendes Neugeschäft klagen. Einen Schlüssel für die unterschiedliche Wahrnehmung liefert die Zusammensetzung des Neugeschäfts. Das Wachstum stammt vor allem aus Abschlüssen gegen Einmalbeitrag, nicht aus den „klassischen“ Vorsorgeverträgen gegen laufende, meist monatliche Beitragszahlung.

Bei den Verträgen gegen Einmalbeitrag registrierte der Verband eine Steigerung um 40 Prozent auf 4,93 Mrd. Euro Beitragssumme. Ein bedeutender Teil davon entfällt auf die Entscheidung von Unternehmen, Betriebsrenten durch eine einmalige Kapitalzahlung in ausfinanzierte Systeme zu verwandeln und an einen Versicherer zu geben. Die günstige Gewinnsituation ermutigt viele Firmen zu einem solchen Schritt.

Die GDV-Statistiker haben nicht erfasst, wie viel das Firmengeschäft am Einmalbeitragsboom ausmacht. Aus der Branche ist zu hören, dass dies bei wenigen Unternehmen wie dem Marktführer Allianz für einen großen Anteil des Neugeschäfts sorgt. Das würde erklären, warum andere Gesellschaften schwächer dastehen. Denn sie spielen in dem Markt für betriebliche Altersversorgung keine Rolle. Eine zweite Quelle der Einmalbeiträge sind die Umwandlungen von Auszahlung fälliger Lebensversicherungen in sofort beginnende Rentenversicherungen. Auch das berührt den Markt unterschiedlich. Ältere Versicherer mit hohen Ablaufzahlen haben hier eine größere Chance auf Umwandlungen als neue Gesellschaften mit wenigen auslaufenden Verträgen.

Eine deutlich schlechtere Entwicklung musste Heilmann für den Verkauf von Verträgen gegen laufenden Beitrag eingestehen. Hier verbuchte die Branche zwar einen Anstieg um 16,3 Prozent von 2,62 Mrd. Euro auf 3,05 Mrd. Euro Neugeschäftsbeitrag. Allerdings ist darin auch die automatische Anpassung der Riester-Rentenverträge zum Jahresanfang enthalten, die so genannte Riester-Treppe. „Dieser Effekt schlägt mit 450 Mio. Euro bis 500 Mio. Euro zu Buche“, sagte GDV-Experte Thomas Lueg. Ohne den Sonderfaktor ging das Neugeschäft nach dem bereits extrem schwachen 2005 noch einmal zurück.

Innerhalb dieses insgesamt dümpelnden Segments zeigte sich Heilmann sehr zufrieden mit den Riester-Renten. Von den staatlich geförderten Altersvorsorgeverträgen setzte die Branche im ersten Halbjahr 882 300 Verträge ab, fast dreimal so viel wie ein Jahr zuvor. Damals waren es 247 400. Allerdings haben die Riester-Verträge sehr viel kleinere Volumen als klassische Policen.

Heilmann hob hervor, dass Rentenversicherungen jetzt schon 48 Prozent aller verkauften Verträge ausmachen und die reine Kapitalversicherung an Boden verliert. Das ist allerdings wenig verwunderlich. Große Anbieter wie die Allianz verkaufen nur noch Rentenverträge, bei denen die Kunden aber ein so genanntes Kapitalwahlrecht haben. Experten nennen sie deshalb unechte Rentenversicherungen. Wie viele von ihnen tatsächlich in Rentenleistungen statt einer einmaligen Kapitalauszahlung münden, ist offen.

Bild(er):

Gemischte Stimmung: Wer sein Geschäft mit Einmalbeiträgen macht, kann jetzt lachen – andere weinen – Gettyimages/Ron Chapple

www.FTD.de/lebensversicherer

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Quelle: Financial Times Deutschland


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