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Kreuzfahrt vor der Haustür

Posted By Friederike Krieger On 8. September 2006 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

Immer mehr Deutsche verbringen ihren Urlaub auf dem Meer. Am liebsten sind ihnen Touren auf Nord- und Ostsee. Wegen der steigenden Rohölpreise müssen sie dafür künftig mehr bezahlen dsfgsd fs

VON Friederike Krieger Zu Tausenden hatten sich die Schaulustigen am Ostermontag an den St.-Pauli-Landungsbrücken des Hamburger Hafens versammelt – trotz der frühen Morgenstunde. Doch die Besucher warteten um sechs Uhr nicht auf die Ankunft einer menschlichen Berühmtheit; das Schiff, das in den Hafen einfuhr, beherbergte keinen einzigen zahlenden Gast. Dem gut 339 Meter langen Koloss selbst galt die Bewunderung. Das weltweit größte und brandneue Kreuzfahrtschiff „Freedom of the Seas“ war nach Hamburg gekommen, um sich vor seinem Dienstbeginn in der Karibik einen frischen Anstrich in der Werft Blohm + Voss abzuholen.

Die Deutschen schmachten die Ozeanriesen nicht nur gerne vom Ufer aus an. Rund 639 000 kreuzten im vergangenen Jahr selbst über die Meere, was einer Steigerung von 9,6 Prozent gegenüber 2004 entspricht. Damit ist Deutschland nicht nur der führende Kreuzfahrtmarkt Kontinentaleuropas, sondern rangiert hinter Nordamerika und Großbritannien auch auf Platz drei der Weltrangliste. Das Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik rechnet für 2006 mit einem Wachstum von zehn Prozent und ist darüber hinaus optimistisch, dass die Passagierzahlen am Ende des Jahrzehnts die magische Millionenmarke erreichen werden. „Nord- und Ostsee sind nach wie vor die beliebtesten Reiseziele“, sagt Johannes Zurnieden, Vize präsident des Deutschen Reisebüro- und Reiseveranstalter-Verbands. Diese Kreuzfahrten „vor der Haustür“ würden die Urlauber wegen ihrer kurzen An- und Abreise besonders schätzen.

Der Trend führt dazu, dass vor allem deutsche Kreuzfahrtveranstalter von dem Boom profitieren. Die Veranstalter von Hochseekreuzfahrten erzielten im Jahr 2005 einen Umsatz von 1,22 Mrd. Euro. Größter deutscher Anbieter ist Aida Cruises, inzwischen eine Tochtergesellschaft der weltweit größten Kreuzfahrtreederei Carnival Cruise Lines. Mit den diesjährigen Buchungszahlen ist man bei Aida sehr zufrieden: „Unsere Schiffe sind in dieser Saison fast zu 100 Prozent ausgelastet“, erklärt Pressesprecherin Kathrin Heitmann. Um der wachsenden Nachfrage Herr zu werden, hat Aida Cruises bei der Meyer Werft in Papenburg bereits vier neue Schiffe geordert.

Es sind die ersten Kreuzfahrtschiffe, die Meyer für den deutschen Markt baut. „Wir freuen uns über diese für uns so wichtigen Aufträge. Wir haben fast zwei Jahre dafür gekämpft und uns gegen harte Konkurrenz durchgesetzt“, sagt Bernard Meyer, Geschäftsführer und Mehrheitseigner der Meyer Werft. Die neuen Aida-Schiffe sollen jeweils rund 2000 Passagiere fassen können und zwischen Frühjahr 2007 und 2010 in Dienst gestellt werden.

Auch die deutschen Häfen erleben im laufenden Jahr eine Rekordsaison. So stieg die Anzahl der Schiffsanläufe in Rostock-Warnemünde, dem führenden Hafen für die Ozeanriesen in Deutschland, von 97 im vergangenen Jahr auf 140 in dieser Saison. „Die Investitionen der Häfen in ihre Infrastruktur beginnen sich auszuzahlen“, erläutert Alexander Napp, Leiter der Hafen- und Kanalabteilung beim Schiffsmakler Sartori & Berger. Nahezu alle deutschen Kreuzfahrthäfen haben in den vergangenen Jahren neue Terminals gebaut, die mehr und vor allem auch größere Schiffe abfertigen können.

Zunehmend machen sich die Hafenstädte auch die Begeisterungsfähigkeit von Einheimischen und Touristen für die Ozeanriesen zunutze, um sich als attraktive Anlaufpunkte für die Kreuzfahrtschiffe anzupreisen. So plant Hamburg für 2008 einen „Traumschiff-Gipfel“. Innerhalb von zwei Tagen sollen acht bis zehn große Kreuzfahrtschiffe in den Hafen einlaufen und sich den Schiffsfans präsentieren. „Damit können wir die Bedeutung Hamburgs als Event- und Logistikstandort hervorheben“, sagt Carlo Blumenberg, dessen Agentur Carlo Blumenberg Media Scouts den Gipfel organisiert. Er hofft, dass die Schiffe ein mindestens so großes Publikum wie die „Queen Mary 2“ anziehen. Bei den jährlichen Besuchen des Luxusliners der Cunard Line finden sich regelmäßig Zehntausende Schaulustige entlang der Elbe ein.

Dem Hafen der Hansestadt ist es in dieser Saison gelungen, die Zahl der Kreuzfahrtschiffsanläufe von 28 auf 55 fast zu verdoppeln. Dabei galt er wegen seines fehlenden direkten Zugangs zum Meer lange Zeit als relativ unattraktiv für Kreuzfahrtschiffe. Im nächsten Jahr will auch Aida Cruises, dessen Stammhafen eigentlich Rostock-Warnemünde ist, sein Schiff „Aida Vita“ nach Hamburg verlegen. Den langen Weg die Elbe hinauf, um den Hafen zu erreichen, wertet Aida sogar als Vorteil. „Die Elbefahrt stellt ein besonderes Highlight für unsere Passagiere dar“, erklärt Heitmann. Und nach solchen Höhepunkten suchen die Kreuzfahrtanbieter derzeit, damit ihren Kunden bei der Rundfahrt durch die heimischen Gewässer nicht langweilig wird. „Das Ziel ist, den Passagieren immer neue Attraktionen zu bieten und auch besondere Häfen abseits der gängigen Kreuzfahrtrouten ins Programm aufzunehmen“, sagt Sebastian Ahrens, Pressesprecher von Hapag-Lloyd Kreuzfahrten. Im August lief die „MS Europa“ von Hapag-Lloyd als erstes Kreuzfahrtschiff Timmendorfer Strand für einen Tagesbesuch an.

Auch wenn die Passagiere zwischen ausgefalleneren Reiserouten wählen können, werden sie für eine Kreuzfahrt künftig tiefer ins Portemonnaie greifen müssen. Wegen der hohen Rohölpreise nehmen immer mehr Anbieter Treibstoffzuschläge von ihren Gästen. Das verteuere die Kreuzfahrten um 6 bis 8 Euro pro Tag, so Zurnieden. 2005 betrug der durchschnittliche Tagespreis für eine Kreuzfahrt rund 199 Euro.

Bild(er):

Die Passagiere des Kreuzfahrtschiffs „Aida Vita“ müssen sich ab nächster Saison warm anziehen. Statt der sonnigen Gefilde des Mittelmeers steuert das Schiff Norwegen und Island an – Look/Bernhard Limberger

Quelle: Financial Times Deutschland


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