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Vermittler entdecken die Liebe zur Riester-Rente

Posted By Anja Krüger On 17. November 2006 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

Altersvorsorge gilt als Wachstumsmarkt. Aber selbst für Versicherungsmakler ist die Materie kaum zu durchschauen. Trotz sinkender Renten wollen oder können viele Menschen kein Geld für den Ruhestand aufbringen

Die Riester-Rente hat die seltene Gabe, gleich zwei Löcher auf einmal stopfen zu können: zum einen die Rentenlücken künftiger Ruheständler und zum anderen die tiefen Einnahmeeinschnitte von Versicherungsvermittlern nach dem Wegfall des Steuerprivilegs für Kapitallebensversicherungen. Nach einiger Verzögerung haben beide Seiten die staatlich geförderte Altersvorsorge entdeckt, der Absatz boomt.

Mit der Rentenreform von 2002 hat die damalige rot-grüne Bundesregierung die gesetzlichen Renten für künftige Ruheständler gekürzt. Im Gegenzug fördert der Staat die nach Ex-Arbeitsminister Walter Riester benannten privaten Rentenversicherungen in wachsendem Umfang. Zunächst waren die Vertriebserfolge verhalten – bei Kunden wegen der erst niedrigen Zulagen und bei Vermittlern wegen der vergleichsweise geringen Provisionen. Die Zulagen liegen zurzeit bei 114 Euro pro Jahr für Alleinstehende und 228Euro für Ehepaare sowie 138 Euro pro Kind. Mittlerweile haben mehr als 6,4 Millionen Verbraucher eine Riester-Rente.

„Der Boom hängt mit dem Heulen und Zähneklappern zusammen, das auch bei den Maklern 2005 und 2006 eingesetzt hat“, sagt Hans-Ludger Sandkühler, Vorsitzender des Instituts der Versicherungsmakler. In dem Verband sind 260 kleinere und mittlere Maklerbüros zusammengeschlossen. „Heulen und Zähneklappern“ brach bei Maklern ebenso wie bei Versicherungsvertretern aus, weil nach der Abschaffung des Steuerprivilegs für Kapitallebensversicherungen 2005 ihre Haupteinnahmequelle versiegte. Im Unterschied zu Vertretern sind Makler im Interesse der Kunden und nicht des Unternehmens tätig, dessen Verträge sie vermitteln. „Das klassische Lebensgeschäft ist massiv eingebrochen“, sagt Sandkühler.

Stattdessen boomen Riester-Renten, auch wenn die Provisionen verhältnismäßig gering sind. Für eine klassische Kapitallebensversicherung bekommt der Vermittler zwischen vier und sieben Prozent der gesamten Beitragssumme, ein durchschnittlicher Vertrag bringt etwa 1500 Euro. Bei den Riester-Renten sind die Vergütungen viel niedriger und von Anbieter zu Anbieter unterschiedlich. Manche berechnen die Provision nur anhand der Beitragszahlungen des Kunden, andere zählen die staatlichen Zulagen hinzu. Einige zahlen sie auf einen Schlag, andere verteilt auf fünf Jahre. „Man kann fast sagen: Je schlechter das Produkt, desto höher die Provision“, sagt Sandkühler. Mit einer Honorarberatung der Makler für Privatkunden könnte das Problem ausgeräumt werden. Doch das ist Maklern auch künftig nicht erlaubt. Sie dürfen nur Nichtverbraucher gegen Honorar beraten, also Gewerbe- und Industriekunden.

Dabei wird das Thema Altersvorsorge buchstäblich Tag für Tag komplizierter. Die Zeiten sind vorbei, in denen Makler mit ein paar Faustformeln in einer halben Stunde den Bedarf des Kunden und die passenden Verträge ermitteln konnten. Steuergesetze, Vorschriften und Versicherungsbedingungen ändern sich ständig. Um Rentenlücken ausfindig zu machen, muss der Makler wissen, wann der Kunde in Rente gehen wird, welche Einnahmen er im Alter wie versteuern muss und vieles mehr. In Steuerfragen muss er geradezu ein Fachmann sein bei der Prüfung, ob der Abschluss einer Rürup-Rente für einen Kunden sinnvoll ist. Diese Leibrenten gibt es seit 2005. Der Absatz ist bislang gering.

Die Undurchdringbarkeit der Altersvorsorge ist nicht nur für kleine Maklerbüros ein Problem. „Es wird immer schwieriger, die Produkte zu beurteilen“, sagt Peter Köhler, Geschäftsführer des Versicherungsmaklers Thomae und Partner und Vorstandsmitglied des Verbands Deutscher Versicherungsmakler. In dem Verband sind vor allem große Firmen organisiert. Klassische Riester-Kunden haben sie weniger. Sie vermitteln eher Selbstständigen Altersvorsorgeverträge oder sind in der betrieblichen Altersversorgung tätig. „Die Beratung wird immer komplexer und schwieriger“, sagt Köhler.

Und das ist nicht das einzige Problem. Der von der Assekuranz immer wieder beschworene riesige Vorsorgebedarf führt keineswegs zur erwünschten Nachfrage. „Viele haben die Probleme erkannt, sind aber nicht bereit, für die Altersvorsorge Geld auszugeben“, sagt er.

Entsprechend skeptisch ist Köhler gegenüber der Honorarberatung für Altersversorgung. Für fair würde er sie allemal halten. Aber er glaubt nicht, dass es dafür einen Markt gibt. Denn für eine wirklich umfassende Beratung und Auswahl passender Angebote braucht ein Vermittler bis zu einem Arbeitstag. Das ist bei einem Stundensatz von 120Euro teuer. Köhler fürchtet, dass Kunden, statt solche Preise zu zahlen, auf die Beratung ganz verzichten und sich mit Verträgen bei Kaffeeröstern oder im Einzelhandel eindecken.

Bild(er):

Mit ernstem Gesicht beendet Max Schmeling sein hochkonzentriertes Training für die Weltmeisterschaft im Schwergewicht in Endicott, New York. Das intensive Bearbeiten des Sandsacks ist für professionelle Boxer wie Schmeling ein wichtiger Teil der Vorbereitung auf das Duell mit dem Gegner – Corbis/ Bettmann, Uno Sports

Anja Krüger

Quelle: Financial Times Deutschland


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