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Germanischer Lloyd organisiert Abwehr

Posted By Herbert Fromme On 8. Dezember 2006 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

Industrieller Herz will Eigenständigkeit des Schiffs-TÜV sichern · Chancen von Bureau Veritas für Übernahme sinken

VON Olaf Preuss, Hamburg, Klaus Max Smolka, Frankfurt,und Herbert Fromme, Köln Der Vorstand der Hamburger Zertifizierungsgesellschaft Germanischer Lloyd (GL) hat in weniger als einem Monat eine massive Abwehrfront gegen eine feindliche Übernahme durch den französischen Konkurrenten Bureau Veritas aufgebaut. Die Chance der Franzosen, GL zu kaufen, dürfte damit erheblich sinken. Der Hamburger Industrielle Günter Herz und der TÜV Süd wollen GL ganz oder mehrheitlich übernehmen. Daneben haben unter anderem auch die Zertifizierungsgesellschaften Lloyds Register und Det Norske Veritas Interesse an GL-Anteilen bekundet.

Der zweiköpfige GL-Vorstand und die Belegschaft kämpfen für die Eigenständigkeit des 1867 gegründeten Unternehmens. Dieses Ziel werden sie vermutlich erreichen. Allerdings verpasst GL damit auch die Chance, gemeinsam mit Bureau Veritas zur weltweit führenden Gesellschaft für Schiffszertifizierungen aufzusteigen. Dafür hatte Frank Piedelièvre, Chef von Bureau Veritas, noch am Mittwoch in Hamburg geworben. „Wir sind keine verrückten Unternehmensjäger. Wir wollen aus zwei gesunden Firmen eine neue, starke Kraft am Markt formen“, sagte er.

Aus industrieller Sicht würde eine Fusion der Schiffssparten beider Unternehmen Sinn machen, ihre Profile ergänzen sich. GL ist mit einem Marktanteil von 36 Prozent der mit Abstand größte Zertifizierer von Containerschiffen. Schwach ist GL hingegen am Markt für Tanker und Massengutfrachter. Dort wiederum besitzt Bureau Veritas eine relativ starke Position.

GL-Vorstand Hermann Klein hatte vor einigen Tagen eingeräumt, dass das Unternehmen seine Basis verbreitern und vor allem am Markt für Tanker die Präsenz ausbauen müsse. Sein Kollege Rainer Schöndube ergänzte allerdings: „Wir brauchen Bureau Veritas nicht, um zu wachsen.“

GL plant für 2006 einen Umsatz von rund 355 Mio. Euro, überwiegend mit maritimen Dienstleistungen. Bei Bureau Veritas sollen auf den für dieses Jahr angestrebten Gesamtumsatz von 1,8 Mrd. Euro rund 200 Mio. Euro auf die Schiffssparte entfallen. Bureau-Veritas-Chef Piedelièvre hatte Anfang November angekündigt, dass der Sitz einer fusionierten Zertifizierungsgesellschaft Hamburg sein solle. Das wiederholte er jetzt. „Wir werden im Fall einer Übernahme niemanden entlassen“, sagte er. „Im Gegenteil, wir haben einen Mangel an Fachkräften.“ Die Atmosphäre zwischen Bureau Veritas und GL ist gleichwohl vergiftet, obwohl die Vorstände der Unternehmen seit Jahren eine Fusion diskutieren.

Der Hamburger Milliardär Günter Herz wiederum, ehemals Miteigner von Tchibo, will GL komplett übernehmen und auf diesem Weg die Eigenständigkeit des deutschen Schiffs-TÜV wahren. „Herr Herz will damit zu einer Hamburger Lösung beitragen“, sagte Rainer Kutzner, Chef der Herz-Beteiligungsgesellschaft Mayfair, der FTD. „Das ist ein wirtschaftlich sinnvolles, langfristiges Investment, keine Mildtätigkeit.“ Herz sei überzeugt, dass GL eigenständig wachsen könne.

Der TÜV Süd schließlich strebt eine Mehrheitsübernahme bei GL an. Anschließend will das Unternehmen ein neues, viertes Geschäftsfeld Maritime Dienste aufbauen, das aber von GL geführt würde, sagte TÜV-Süd-Vorstandschef Peter Hupfer der FTD. Name, Logo und der Sitz Hamburg sollen bestehen bleiben. Das GL-Management würde künftig im TÜV-Süd-Vorstand vertreten sein, sagte Hupfer. „Die Kostensynergien sind sehr gering. Es wird keine Arbeitsplatzdiskussion geben.“ Der Nutzen einer Fusion ergebe sich vielmehr zum einen daraus, dass der TÜV Süd schon jetzt in Häfen eingesetzte Technik prüfe und zertifiziere, zum Beispiel Hafeneisenbahnen, Kräne oder Tankanlagen. Zweitens könne der TÜV seine etablierten Dienste an GL-Standorten ausweiten, an denen er noch nicht stark präsent sei.

Bild(er):

Lukrativer Markt: Schiffe – etwa dieser Frachter vor Stralsund – müssen von Zertifizierungsfirmen abgenommen werden – J. Köhler; ullstein/Breuel-Bild

Quelle: Financial Times Deutschland


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