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Assekuranz kämpft gegen Infopflicht

Posted By Herbert Fromme On 6. Juli 2007 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

Versicherer lehnen detaillierte Angaben zu den Kosten einer Police vor Vertragsabschluss ab

VON Herbert Fromme, Berlin Zwischen Bundesregierung und Versicherungswirtschaft ist ein Streit über die Umsetzung der Transparenzanforderungen des neuen Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) entbrannt.

Der Bundestag beriet Donnerstagabend über die Verabschiedung des Gesetzes. SPD, CDU und Grüne kündigten Zustimmung an, die FDP die Ablehnung, weil dort Teile der Gesundheitsreform übernommen wurden.

Im VVG beauftragt das Parlament die Regierung, in einer Informationspflichtenverordnung festzulegen, was ein Versicherungsvertreter oder Makler für den Kunden vor dem Abschluss zu tun hat.

In dem Entwurf der Verordnung heißt es, dass die Vermittler Kosten in Euro und Cent nennen müssen. Sie belaufen sich bei Lebensversicherungen oft auf fünf Prozent und mehr der Gesamtbeiträge, bei privaten Krankenversicherungen oft auf mehr als sechs Monatsbeiträge. Bei einer Lebensversicherung mit 100 Euro Monatsbeitrag und 30 Jahren Laufzeit sind das allein an Abschlusskosten über 2500 Euro.

Die Versicherer befürchten, dass die Offenlegung in Geldbeträgen dem Absatz schaden könnte und zu Forderungen nach Beteiligung am Provisionsgewinn durch die Kunden führt. Bislang gibt es keinerlei Offenlegungspflichten.

Die geplante Regelung sei „ordnungspolitisch falsch, praxisfremd und wettbewerbsverzerrend“, sagte Jörg von Fürstenwerth, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). „Sie lässt gänzlich außer Acht, dass die Versicherungswirtschaft im intensiven Wettbewerb mit anderen Finanzdienstleistern steht.“ Die Versicherer sehen sich gegenüber Fonds und Banksparplänen benachteiligt.

Die Regierung hält an ihren Plänen fest. Im Abstimmungsprozess zwischen den Ministerien für den Entwurf sei die Euro- und Cent-Regelung auf keinerlei Widerspruch gestoßen, sagte Volker Schöfisch, Referatsleiter im Justizministerium. „Ganz im Gegenteil, sie ist unterstützt worden.“ Jetzt hätten Verbände Gelegenheit zu Stellungnahmen, im Herbst werde die Verordnung erlassen.

Justizministerin Brigitte Zypries sagte, die Einführung einer vergleichbaren Regelung in Euro und Cent für Fonds und Banksparpläne liege außerhalb ihrer Zuständigkeit. „Aber gut wäre es. Für den Verbraucher ist es immer besser, wenn er die reale Zahl sieht.“ Versöhnliche Töne fand von Fürstenwerth zur Gesamtreform. Das neue Gesetz löst das seit 1908 bestehende VVG ab. Im parlamentarischen Prozess habe es eine „problembewusste Abwägung der wohlverstandenen Interessen der Verbraucher gegeben.“

Kritisch sieht der GDV allerdings weiterhin die Pflicht, schon vor Übersendung einer Police dem Kunden die Allgemeinen Versicherungsbedingungen zu übergeben. „Das führt zu einer wahren Papierflut und hilft dem Verbraucher nicht weiter.“ Abgefunden hat sich die Branche aber wohl mit der Streckung von Provisionen und anderen Abschlusskosten, die sie den Kunden berechnet, auf fünf Jahre.

Erfolgreich abschwächen konnte die Assekuranz die ursprünglichen Pläne der Koalition zu den stillen Reserven. Die Regierung wollte sie zwingen, die mit Kapitalanlagen erwirtschafteten stillen Reserven den Lebensversicherungskunden jedes Jahr zur Hälfte unwiderruflich gutzuschreiben. Stille Reserven sind noch nicht realisierte Gewinne im Wesentlichen aus Wertpapieren, die aus Kurs- oder Zinsbewegungen entstehen. Nun müssen die Versicherer ihren Kunden zwar den Stand der mit ihrem Geld erwirtschafteten stillen Reserven jährlich mitteilen. Ausgeschüttet werden aber nur die bei Ablauf oder Beendigung des Vertrags vorhandenen stillen Reserven, auch die nur zur Hälfte. „Das ist der wichtigste Punkt, an dem wir uns nicht durchgesetzt haben“, sagte Zypries.

Bild(er):

Versicherungsvermittler müssen nach dem neuen Vertragsgesetz transparenter arbeiten – FTD-Grafik/Stephanie Kock

www.FTD.de/Vertrag

www.FTD.de/Vertrag

Meinungen der Experten

Quelle: Financial Times Deutschland


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