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Weniger Fallstricke für die Kunden

Posted By Ilse Schlingensiepen On 11. Februar 2008 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

Das Versicherungsvertragsgesetz läutet für dieAssekuranz eine neue Ära ein. Die FTD geht in einer losen Folge der Frage nach, was die geänderten Spielregeln für Kunden bedeuten. Heute: In der Krankenversicherung sinkt das Risiko, den Versicherungsschutz zu verlieren

 

VON Ilse Schlingensiepen Rückenprobleme hat jeder mal, sie sind keine Krankheit, glaubt so mancher. Werden sie vor Abschluss einer privaten Krankenversicherung (PKV) nach Vorerkrankungen gefragt, verneinen viele die entsprechende Frage. Vor der Reform des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) konnte sie das den Versicherungsschutz kosten, der Versicherer den Vertrag auch viel später rückwirkend kündigen. Heute liegen die Hürden für solch einen gravierenden Schritt wesentlich höher.

 

„Wer etwas verschwiegen hat, läuft nicht mehr Gefahr, ganz ohne Versicherungsschutz dazustehen“, sagt der bekannte Kölner Versicherungsjurist Theo Langheid. Stellen sich die Angaben zum Gesundheitszustand als falsch heraus, kann der Versicherer abhängig von der Schwere des Verstoßes den Vertrag für die Zukunft ändern und die Krankheit komplett aus der Deckung ausschließen oder einen Zuschlag verlangen. Wichtig ist dabei die Frage, ob die verschwiegenen Umstände vertragsverhindernd waren – der Versicherer dem Kunden also gar nicht genommen hätte – oder vertragsändernd, der Vertrag also mit anderen Bedingungen zustande gekommen wäre.

 

Diese Möglichkeiten stehen den Unternehmen nicht unbegrenzt lange zur Verfügung. Bei grober Fahrlässigkeit müssen sie sich innerhalb von drei Jahren bei dem Versicherten melden, bei Vorsatz und Arglist innerhalb von zehn Jahren. „Die Versicherer können die Dinge nicht mehr laufen lassen, bis es kritisch wird“, sagt Lars Gatschke, Versicherungsexperte beim Verbraucherzentrale Bundesverband.

 

Gatschke begrüßt, dass die Gesundheitsfragen ohnehin präziser und genauer sein müssen. Wer mit den dort erhaltenen Angaben nicht zufrieden sei, müsse genauer nachfragen, sagt ein Sprecher des Marktführers Debeka. „Wenn wir zu allgemeine Antworten erhalten und nicht nachhaken, dann ist das unser Risiko.“

 

Die VVG-Reform bringe Patienten auch einen großen Nachteil, kritisiert Lilo Blunck, Vorstandsvorsitzende des Bundes der Versicherten. Die Unternehmen brauchen künftig Kosten nicht zu übernehmen, die in einem „auffälligen Missverhältnis“ zu den erbrachten Leistungen stehen. „Wann das der Fall ist, legt ausschließlich der Versicherer fest. Das öffnet der Willkür Tür und Tor“, sagt Blunck. Man könne von niemandem verlangen, vor einer Behandlung den Arzt zu fragen, ob es nicht auch billiger gehe. „Das ist eine Beeinträchtigung des Verhältnisses zwischen Arzt und Patient.“

 

Davon könne keine Rede sein, sagt Versicherungsjurist Langheid. Das Gegenteil sei der Fall: „Der Gesetzgeber hat die Messlatte sehr hoch gehängt.“ Leistungen verweigern könne der Versicherer künftig nur noch, wenn ein Arzt oder eine Klinik ein Honorar verlangt, das schon fast sittenwidrig ist. „Damit das greift, muss jemand schon gegen alle Vorsichtsmaßnahmen verstoßen“, sagt Langheid.

 

Besser stellen sich die PKV-Kunden nach Einschätzung von Verbraucherschützer Gatschke durch die neuen Regelungen zum Umgang mit ihren Gesundheitsdaten. Während die Versicherten bislang alle Ärzte von der Schweigepflicht entbinden mussten, haben sie jetzt das Recht, Nachfragen im Einzelfall zu untersagen. Der Versicherer muss die Kunden vor jeder Datenabfrage informieren und sie auf das Widerspruchsrecht hinweisen. „Der Verbraucher wird mehr oder weniger wieder Herr seiner Daten“, lobt Gatschke. Versicherungsjurist Langheid sieht hierin eine gefährliche Entwicklung für die Unternehmen. Schließlich könne der Versicherte immer dann, wenn er mit Problemen rechnet, die Abfrage verweigern. „Das ist eine dramatische Neuerung“, sagt Langheid.

 

Noch nicht absehbar ist, wie die Versicherer die vorgeschriebene Transparenz über die Abschlusskosten und die künftige Prämienentwicklung umsetzen. Die PKV-Unternehmen müssen ab 1. Juli die einkalkulierten Abschlusskosten in Euro und Cent ausweisen. „Es ist objektiv nicht möglich, das im Vorhinein für jeden Tarif zu berechnen“, sagt Volker Leienbach, Direktor des PKV-Verbands. Der Grund: In der Krankenversicherung haben Verträge eine unbegrenzte Laufzeit, die Prämien verändern sich. Die Branche suche nach Wegen, Transparenz und Vergleichbarkeit zwischen den Anbietern herzustellen, berichtet er. „Zurzeit werden verschiedene Modelle diskutiert.“

 

Bild(er):

 

Pauschalerlaubnis ist passé: Der Versicherer kann nicht mehr über jedes Gespräch zwischen Arzt und Patient, wie hier in Thomas Manns „Zauberberg“ durch Hans-Christian Blech (l.) und Christoph Eichhorn dargestellt, Informationen anfordern – Cinetext/Der Zauberberg

 

www.ftd.de/VVG

 

folge 6: Sachversicherungen

 

www.ftd.de/VVG

 

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Quelle: Financial Times Deutschland


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