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HDI-Gerling beklagt Preisrutsch

Posted By Herbert Fromme On 19. Februar 2008 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

Größter deutscher Industrieversicherer will in Europa expandieren · Interview mit Vorstandschef

Von Herbert Fromme, Hannover Die deutsche Wirtschaft kann 2008 erneut mit sinkenden Ausgaben für ihren Versicherungsschutz rechnen. „Die Preise sind in der Vertragserneuerung zum Jahreswechsel 2007/2008 zwischen fünf und zehn Prozent nach unten gegangen“, sagte Christian Hinsch, Vorstandsmitglied des Versicherungskonzerns Talanx und Chef der Tochter HDI-Gerling Industrie, der FTD. Hinsch kündigte außerdem dem eine Wachstumsinitiative in Europa an.

Versicherungschefs von Konzernen sprechen von Absenkungen in Höhe von 20 Prozent und mehr. „Bei den Konzernen war die Absenkung tendenziell höher als bei mittelständischen Kunden“, bestätigte Hinsch. Das liege aber daran, dass es bei großen Unternehmen in Phasen steigender Preise auch deutlicher nach oben gegangen sei.

Die Hannoveraner Talanx-HDI-Gruppe hatte 2006 den Kölner Rivalen Gerling übernommen, aber die Fusion erst 2007 vollziehen können. Der Zusammenschluss habe dem Neugeschäft nicht geschadet, sagte Hinsch. Es habe für 2008 nur wenige Abgänge gegeben. Bekannt wurden die des Autoherstellers BMW und des Lebensmitteldiscounters Lidl & Schwarz.

„Wir haben zum Jahreswechsel fünf größere Führungsmandate dazu gewonnen“, sagte er. Vorwürfe von anderen Versicherern, HDI-Gerling habe mit Dumpingpreisen alles daran gesetzt, keine Kunden zu verlieren, wies Hinsch zurück. „Das stimmt nicht, es handelt sich um eine Marktentwicklung.“ Es gebe allerdings Wettbewerber, die manchmal schon vorauseilend die Preise senkten, sofern sie bei bestimmten Kundenverbindungen einen Angriff erwarteten.

Marktinformationen, nach denen die Allianz HDI-Gerling bei Lidl um 60 Prozent unterboten habe, bestätigte er.. „In diesem Fall lag unsere Prämie bei über 10 Mio. Euro, die Allianz hat unseres Wissens unter 4 Mio. Euro für das Feuerrisiko geboten.“ Im Einzelhandel gebe es häufig kleinere Schäden, die so genannten Frequenzschäden. „Die dürften nach unserer Einschätzung bei einem solchen Unternehmen bei mehr als 6 Mio. Euro liegen. Da hat die Allianz unter Preis angeboten“, sagte Hinsch weiter.

Hinsch sagte, in den westeuropäischen Industriemärkten von Italien bis Großbritannien habe HDI-Gerling Wachstumspotenzial. „Das wollen wir entwickeln.“ So gebe es in Frankreich kaum große Industrieversicherer, vor allem Axa und AGF. „Die Kunden hungern danach, dass jemand das aufmischt. Diese Rolle wollen wir wahrnehmen.“ Das könne durch die Öffnung weiterer Standorte und die Übernahme von Teams geschehen.

Die seit mehr als zwei Jahren anhaltende Niedrigpreisphase sieht er mit Unruhe. „Im Schnitt ist das jetzige Niveau noch risikoadäquat“, sagte er. „Aber mit diesem Niveau können wir nicht über Jahre leben.“ Wenn es 2008 zu Großschäden komme, werde der Markt in die Verlustzone geraten, anderenfalls sei ein ausgeglichenes Ergebnis möglich.

Schadenaufwand plus Vertriebs- und Verwaltungskosten beliefen sich 2007 bei HDI-Gerling Industrie auf voraussichtlich 98 Prozent der Prämie. „Mit den Preissenkungen wird es 2008 auf 2009 nicht weitergehen“, sagte Hinsch. Es sei aber möglich, dass die Preise nicht steigen. Schäden aus der Kreditkrise könnten sich auswirken. „Wir haben als HDI-Gerling recht wenige Managerhaftpflichtpolicen für Banken und andere Finanzdienstleister“, sagte Hinsch. Daher sei die Gruppe von möglichen Schäden in der Managerhaftpflicht nicht betroffen. „Aber ich glaube, dass Mitbewerber betroffen sein werden, vor allem, wenn sie einen großen Bestand in den USA haben.“

Die Fusion von HDI und Gerling sei in der Schaden- und Unfallversicherung „zu zwei Dritteln durch“. Andere Konzernteile seien schon weiter. „Wir haben das bei weitem komplexeste Thema“, sagte Hinsch. Die regionalen Strukturen der beiden waren nach unterschiedlichen Kriterien aufgebaut. „Das zusammen zu bringen ist eine sehr kleinteilige und schwierige Aufgabe“, sagte er. In der Öffentlichkeit werde zu sehr darüber nachgedacht, was in den großen Standorten Köln und Hannover passiere. „Wir führen zwei bundesweite Organisationen zusammen, wir haben mehr Leute dezentral als zentral.“ Die „Mitmach-Quote“ liege bei 90 Prozent, bei Gerling-Führungskräften bei 84 Prozent.

Hinsch räumte ein, dass ganze Teams HDI-Gerling verlassen haben, auch im Ausland. So sei eine Gruppe in Dänemark mitsamt Chef zur Allianz gegangen. „Das Team hatte ein Geschäft von 16 Mio. Euro“, sagte er. Das dänische Geschäft habe HDI-Gerling wohl verloren, das mit multinationalen Gesellschaften in den nordischen Ländern betreue jetzt Hannover.

Bild(er):

Der Chef von HDI-Gerling, Christian Hinsch, weist Vorwürfe von sich, sein Unternehmen biete Dumpingpreise an – Mark Mühlhaus/attenzione

Quelle: Financial Times Deutschland


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