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Medco knackt deutschen Apothekenmarkt

Posted By Ilse Schlingensiepen On 9. April 2008 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

US-Gesundheitskonzern zahlt 120 Mio. Dollar für Mehrheit an Europa Apotheek Venlo · Starker Rivale für DocMorris-Eigner Celesio

Von Lukas Heiny, Hamburg,und Ilse Schlingensiepen, Düsseldorf Mit dem US-Konzern Medco drängt ein internationales Schwergewicht auf den deutschen Apothekenmarkt. Für rund 120 Mio. $ übernimmt das amerikanische Gesundheitsunternehmen die Mehrheit an der Versandapotheke Europa Apotheek Venlo, die von ihrem Sitz in den Niederlanden aus auch hierzulande aktiv ist. „Wir wollen eine führende Position in einem der am schnellsten wachsenden Gesundheitsmärkte der Welt aufbauen“, sagte David Israel, Vice President und strategisch für die Übernahme verantwortlich. „Der Einstieg in Europa ist eine logische Konsequenz unserer internationalen Strategie.“

Im US-Gesundheitsmarkt ist Medco ein Gigant. Der Konzern setzte 2007 rund 44,5 Mrd. $ um, 17,5 Mrd. $ allein mit der größten Versandapotheke des Landes. Der Konzern bietet spezielle Dienstleistungen für chronisch Kranke und US-Krankenversicherungen an, um die Arzneimittelkosten in den Griff zu bekommen. Erst vor zwei Wochen hatten die Amerikaner eine Kooperation mit der staatlichen schwedischen Apothekenkette Apoteket angekündigt. Nun greift Medco in Deutschland an.

Der rund 35 Mrd. Euro schwere deutsche Apothekenmarkt ist im Umbruch. Die Versandapotheken haben inzwischen einen Marktanteil von drei bis vier Prozent, bis 2012 sollen sie 3 Mrd. Euro umsetzen. Außerdem erwarten Experten noch für 2008 eine weitgehende Liberalisierung des deutschen Apothekenrechts durch den Europäischen Gerichtshof, die den Aufbau von Apothekenketten erlauben würde.

Für diesen Fall haben sich in den vergangenen Monaten zahlreiche Akteure in Position gebracht. „Der deutsche Medikamentenmarkt ist der drittgrößte der Welt, das weckt Begehrlichkeiten“, sagte Thomas Worch, Geschäftsführer von Parmapharm, einer Gesellschaft 700 unabhängiger Apotheker. „Mit Medco nimmt nun ein ganz Großer am Spiel teil, den viele nicht auf der Rechnung hatten.“

Bislang zielen vor allem deutsche Unternehmen auf das margenstarke Medikamentengeschäft. Vor Kurzem hatte die Drogeriemarktkette Schlecker eine eigene Versandapotheke gestartet. Der Konkurrent DM kooperiert in 90 Filialen mit der Europa Apotheek, um Drogeriekunden mit Arzneimitteln zu beliefern. Der bislang spektakulärste Coup gelang im vergangenen Jahr jedoch dem deutschen Pharmagroßhändler Celesio mit der Übernahme der Versandapotheke DocMorris. Der Einstieg eines Unternehmens wie Medco bringe nun „Power in den Markt“, sagte der Analyst Ulrich Huwald von M.M. Warburg.

Bei Celesio zeigte man sich vom Schritt der Amerikaner zwar überrascht, reagiert aber dennoch gelassen. „Wir sehen den Einstieg von Medco nicht als Angriff, auch wenn Europa Apotheek schon immer einer der Hauptkonkurrenten von DocMorris war“, so ein Celesio-Sprecher. Vielmehr bestätige die Übernahme die Attraktivität des deutschen Marktes. Medco und Celesio hätten aber unterschiedliche Geschäftsmodelle. „Celesio und Medco sind nun die beiden großen Player, die parallel im deutschen Markt auftreten“, sagte Manfred Ferber vom Investmenthaus Ferber & Co., der Medco bei der Übernahme beraten und auch den Verkauf von DocMorris an Celesio arrangiert hatte.

In der Tat: Im Gegensatz zu Celesio plane Medco derzeit nicht den Aufbau einer eigenen Apothekenkette, sagte Israel. Auch in den USA betreibe man keine eigenen Filialen. In Deutschland solle nun zunächst das Versandgeschäft ausgebaut werden, etwa mit automatisierten Logistikzentren wie in den USA.

Parallel soll die Beratung chronisch Kranker ausgebaut werden, so Israel. In den USA betreut der Konzern rund vier Millionen Diabetiker. Geschulte Apotheker und Krankenschwestern beraten die Patienten auch über Callcenter. „Wir wollen gemeinsam zum Benchmark für den deutschen Markt werden, was die Patientenberatung, -betreuung und -führung betrifft“, sagte Klaus Gritschneder, einer der Gründer der Europa Apotheek, der wie Geschäftsführer Michael Köhler im Amt bleibt.

Mit dem Einstieg könne Europa Apotheek das Geschäft weiter ausbauen, so Gritschneder. Das 2001 gegründete Unternehmen sei seit 2004 pro Jahr im Umsatz um 90 Prozent gewachsen. „Das soll auch so weitergehen. Der Markt ist bereit dafür, die Kunden wollen den Versandhandel“, sagte Gritschneder. 2007 lag der Umsatz der Versandapotheke mit 150 Mitarbeitern bei über 100 Mio. Euro, konkrete Zahlen nennt das Unternehmen traditionell nicht.

Ähnlich wie in den USA sei künftig auch eine Kooperation mit niedergelassenen Apotheken vorstellbar, so Gritschneder. Dort hat Medco rund 60 000 Apotheken als Partner für die Akutversorgung. „Wir wollen mit den Vor-Ort-Apotheken kooperieren und es gibt viele Interessenten.“

Gerade der Ausbau der Beratung wird in der Branche aber als Angriff gewertet: „Das ist eine Gefahr für die deutschen Apotheker“, sagte Parmapharm-Manager Worch. Gerade die Rezeptabwicklung chronisch Kranker sei lukrativ – und würde den Apothekern nun entrissen.

Bild(er):

Gewieftes Vertriebskonzept: In 90 Filialen der Drogeriemarktkette DM können Kunden Arzneien kaufen – meist günstiger als in der Apotheke. Wie bei Fotobestellungen geben sie ihre Daten am Computer ein. Ihr Rezept werfen sie in einen Schlitz. Die Europa Apotheek Venlo liefert die Pillen binnen 48 Stunden zu DM. Dort holen die Kunden sie ab

Leitartikel 27

Quelle: Financial Times Deutschland


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