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Dem Knigge genügen

Posted By Friederike Krieger On 4. Juni 2008 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

Unternehmen halten von einer finanziellen Beteiligung ihrer Manager bei einem D&O-Schaden nicht viel. Weil der Deutsche Corporate Governance Kodex das aber vorsieht, vereinbaren die Betriebe trotzdem Selbstbehalte

VON Friederike Krieger Trotz der Finanzkrise bleiben Selbstbehalte in der Managerhaftpflichtversicherung (D&O) bei den Firmen unbeliebt. Mit den Policen können Unternehmen ihre Führungskräfte vor Schadenersatzansprüchen schützen, die der Firma oder einem Dritten durch Pflichtverletzungen der Manager entstehen. Die Regierungskommission legt den Unternehmen eine finanzielle Beteiligung ihrer Manager im Deutschen Corporate Governance Kodex ans Herz.

Das rund 100 Empfehlungen und Anregungen umfassende Werk soll das deutsche System der Unternehmensführung für Investoren transparenter machen. Um das Verantwortungsbewusstsein von Vorstand und Aufsichtsrat zu erhöhen, sollten die Firmen für sie einen angemessenen Selbstbehalt bei ihren D&O-Policen vereinbaren, so der Kodex. Angesichts der derzeitigen Kritik an renditehungrigen Managern, die Millionenbeträge mit US-Ramschhypotheken verzockt haben, eine scheinbar vernünftige Idee.

Laut einer aktuellen Studie des Berlin Center of Corporate Governance (BCCG) lehnen aber mehr als 50 Prozent von rund 200 befragten börsennotierten Firmen eine finanzielle Beteiligung ihrer Manager im Schadenfall ab. Es ist auch nicht absehbar, dass die Ablehnungsfront bröckelt. „Die Firmen haben beschlossen, dass sie keine Eigenbeteiligung der Manager wollen“, sagt Till Talaulicar vom BCCG.

Auch der Softwarehersteller SAP plant nicht, seine D&O-Verträge zu ändern. „Wir sind grundsätzlich nicht der Ansicht, dass Motivation und Verantwortung, mit der die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats ihre Aufgabe wahrnehmen, durch einen solchen Selbstbehalt verbessert werden können“, schreibt SAP in seiner Entsprechenserklärung. In dem Schriftstück müssen die Unternehmen begründen, warum sie vom Kodex abweichen.

Der Sportartikelhersteller Adidas hat keinen Selbstbehalt vereinbart, weil dies außerhalb Deutschlands unüblich ist. „Zudem handelt es sich um eine Gruppenversicherung für eine Vielzahl von Führungskräften im In- und Ausland, bei der eine Differenzierung nach Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern und sonstigen Führungskräften nicht sachgerecht erscheint“, sagt Adidas-Sprecherin Anne Putz.

Daimler ist dagegen der Ansatz des Kodex zu pauschal. Der Autohersteller sieht für seine Vorstandsmitglieder einen Selbstbehalt bei fahrlässigen Pflichtverletzungen vor. Die finanzielle Beteiligung von Aufsichtsräten hält er aber nicht für angemessen. Sie könnte das Ziel beeinträchtigen, herausragende Persönlichkeiten mit großer unternehmerischer Erfahrung für den Aufsichtsrat zu gewinnen, heißt es.

Die D&O-Police wird durch den Selbstbehalt auch nicht billiger. „Es sind kaum Prämiennachlässe möglich“, erklärt Bijan Daftari, der beim Versicherer Chubb für das D&O-Geschäft zuständig ist. Dafür sind die Selbsthalte zu niedrig angesetzt. Während die finanzielle Eigenbeteiligung Daftaris Erfahrung nach 50 000 Euro nur sehr selten überschreitet, können D&O-Schäden leicht mit etlichen Millionen zu Buche schlagen. Die Nachfrage nach Selbstbehalten falle deshalb eher verhalten aus, so Daftari. „Eine Ausnahme bilden die Top-Dax-Unternehmen“, sagt er. Das bestätigt auch die Studie des BCCG. Rund drei Viertel der Firmen im Deutschen Aktienindex haben sich zu einem Selbstbehalt für ihre Manager durchgerungen, soviel wie in keinem anderen Börsensegment. Doch es war nicht unbedingt der Glaube an den Sinn der Eigenbeteiligungen, der die Unternehmen dazu veranlasst hat. „Die Firmen wollen damit sicherstellen, dass sie in der Öffentlichkeit nicht angreifbar sind“, erklärt Daftari. Sie beteiligen ihre Manager im Schadenfall finanziell, um allen Empfehlungen des Corporate Governance Kodex Folge zu leisten.

Auch bei dem Energieriesen Eon gab die Kodex-Empfehlung den Ausschlag, die Manager an möglichen Schäden zu beteiligen. „Wenn es zur guten Geschäftspraxis eines Industrieunternehmens gehört, einen Selbstbehalt zu vereinbaren, dann machen wir es auch“, erklärt Eon-Sprecher Christian Drepper. Ein Aufsichtsratsmitglied muss nun bei groben Patzern die Hälfte seiner jährlichen fixen Vergütung in Höhe von 55 000 Euro an den Versicherer zahlen. Über die Höhe der finanziellen Eigenbeteiligung des Vorstands schweigt sich Eon dagegen aus. Bevor sich der Konzern Mitte 2006 für einen Selbstbehalt entschied, sah die Einstellung zu dem Thema noch ganz anders aus. Das Mittel sei nicht geeignet, das Verantwortungsbewusstsein von Vorstand und Aufsichtsrat zu verbessern, hieß es damals.

Wenn das Kalkül des Selbstbehalts tatsächlich aufginge, hätten die Firmen ein Problem. „Es besteht die Gefahr, dass der Manager davor zurückschreckt, notwendige Entscheidungen zu treffen“, sagt Armin Beier-Thomas vom Versicherungsmakler Gebrüder Krose. Weil der Manager die finanziellen Folgen möglicher Fehler fürchtet, verschleppt er Entschlüsse – und schadet damit seiner Firma. Diese Angststarre zu brechen sei gerade der Sinn einer D&O-Versicherung. „Insofern könnte ein überzogener Selbstbehalt kontraproduktiv wirken“, sagt Beier-Thomas.

Zitat:

“ „Die Firmen wollen keinen Selbstbehalt“ “ – Till Talaulicar, BCCG –

Bild(er):

Für Spott sorgte, dass VW den durch Ex-Vorstand Peter Hartz angerichteten Schaden im Skandal um Lustreisen und Schmiergelder bei Versicherern geltend machte. Das brachte der D&O-Sparte die Bezeichnung „Puff-Police“ ein – Visum/Carsten Koall; FTD-Montage

Quelle: Financial Times Deutschland


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