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Preisdruck bleibt trotz der Schäden

Posted By Herbert Fromme On 4. Juni 2008 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

Das Klima wird rauer zwischen Industrie und Assekuranz, wenn es um Managerhaftpflichtpolicen geht. Trotz fallender Preise verdienen die Versicherer noch Geld. Die Kreditkrise könnte das ändern

Von Herbert Fromme und Anja Krüger Die Meldung aus der normalerweise von Fernsehjournalisten nicht besonders geliebten Versicherungsbranche schaffte es bis in das „Heute Journal“: Der Siemens-Konzern hatte seinen Versicherern im April mitgeteilt, dass er wegen des Bestechungsskandals Schäden bis 250 Mio. Euro – der gesamten versicherten Summe – aus der D&O-Versicherung erwartet. D&O ist die Abkürzung für Directors‘ and Officers‘ Liability Insurance oder Managerhaftpflicht. Diese Policen schließen Unternehmen für Vorstände, Aufsichtsräte und andere führende Mitarbeiter ab. Kommt es zu Ansprüchen von Dritten oder vom Unternehmen selbst gegen einen Manager, greift unter bestimmten Voraussetzungen die D&O-Police.

Siemens hatte für die Jahre 2004 bis 2007 eine solche Deckung bei einen Konsortium unter Führung der Allianz gekauft. Abgesichert waren Zentralvorstand, Aufsichtsrat sowie einzelne Bereichsvorstände. Allein die Allianz stehe in dem Fall mit 70 Mio. Euro im Risiko, erfuhr die FTD aus Branchenkreisen. Beteiligt sind zudem die Versicherer Zurich, HDI-Gerling, eine Reihe von anderen Gesellschaften und Rückversicherer.

Der Konzern stellt Ansprüche gegen frühere Führungskräfte, weil sich nach Firmenangaben Geldstrafen, Steuernachzahlungen und Ermittlungskosten aus der Affäre auf mehr als 1,6 Mrd. Euro belaufen.

Siemens und die Versicherer kommentieren diese Meldung nicht. Überhaupt gibt sich die Branche bei allen Fragen zu D&O sehr bedeckt. Es gibt keine Marktstatistiken, keine Schadenaufstellungen. Schätzungen über das marktweite Prämienvolumen reichen von 250 Mio. Euro bis 500 Mio. Euro. Nur hinter vorgehaltener Hand geben Versicherungsmanager zu, dass ihnen Meldungen über Großschäden in der D&O-Versicherung nicht unrecht sind. Denn sie sind eine willkommene Werbung und könnten ihnen helfen, die Preise zu stabilisieren. Denn die Prämien fallen seit mehr als zwei Jahren. Offenbar gab es vorher trotz Großschäden wie Daimler, VW oder WestLB eine sehr hohe Gewinnmarge in dem Geschäft. Deshalb haben Anbieter ihre Kapazitäten nicht reduziert, außerdem kommen neue Gesellschaften aus dem Ausland dazu. Der deutsche Markt gilt als attraktiv.

Die fallenden Preise könnten allerdings bald zu realen Verlusten führen – wenn die gegenwärtige Kreditkrise zu einer Schadenwelle führt. „Mit der Subprimekrise kommt etwas auf uns zu“, glaubt Thierry Daucourt, Deutschland-Chef des US-Versicherers Chubb, einem der Pioniere der Sparte in Deutschland. Mit AIG, Allianz, VOV und Zurich gehört Chubb zu den größten Anbietern. Die meisten Versicherer pflichten ihm bei. Es ist sehr wahrscheinlich, dass durch die Krise gebeutelte Banken Klagen gegen einzelne Manager anstrengen.

Viel Spielraum hat ein Aufsichtsrat dabei nicht. Im berühmten Arag-Urteil legte der Bundesgerichtshof 1997 fest, dass der Aufsichtsrat im Interesse der Aktionäre verpflichtet ist, durchsetzbare Schadenersatzansprüche gegen Vorstände auch tatsächlich geltend zu machen.

Dabei kann eine geschädigte Bank oder ein anderes Unternehmen die Versicherer nicht direkt bemühen. Die Anbieter kommen nur für erfolgreiche Schadenersatzansprüche gegen die Manager auf.

Spätestens seit dem Arag-Urteil ist kaum ein Manager bereit, einen Vorstandsposten ohne D&O-Deckung anzutreten – sonst wäre permanent sein Privatvermögen bedroht. Die Firmen haben kein Interesse an zaudernden Führungskräften, die Angst davor haben müssen, wegen einer falschen Entscheidung zur Kasse gebeten zu werden. Nur wenige Großunternehmen verzichten deshalb auf eine D&O- Police, dazu gehört BMW.

Das Ansehen der Deckungen in der Öffentlichkeit ist schlecht. Ihnen haftet der Geruch an, als weiches Kissen für unfähige Manager zu dienen, die nach von ihnen verursachten Verlusten persönlich ungeschoren bleiben. Als die D&O-Versicherer des VW-Konzerns unter Führung der AIG wegen des Skandals um Bestechung und Lustreisen für Ex-Vorstand Peter Hartz 4,5 Mio. Euro zahlten, war von „Puff-Police“ die Rede, auch wenn die Versicherer sich ein Rückforderungsrecht vorbehielten. Auch in vielen Unternehmen gibt es Missverständnisse über diese Policen. „Die D&O-Versicherung ist ein wenig schizophren“, sagt Spezialistin Martina Heim vom Versicherungsmakler Südvers. Zwar zahlt das Unternehmen in der Regel die Prämie. „Im Schadenfall stellt sich der Versicherer aber nicht hinter das Unternehmen, sondern hinter den Manager.“ Dessen Verteidigung gegen die Ansprüche übernimmt der Versicherer – aus Sicht des klagenden Unternehmens mit der Prämie, die es selbst gezahlt hat. Ist der Versicherer dabei erfolgreich, muss er nicht zahlen.

Hat ein Manager vorsätzlich gehandelt, zahlt die D&O-Versicherung nicht – deshalb schauen die Versicherer des Siemens-Konzerns genau hin, was die zur Zeit laufenden Prozesse ergeben. Billig sind Ansprüche wie die von Siemens für die Anbieter aber selten. Denn die Versicherer müssen zunächst die Abwehrkosten übernehmen, wenn der Manager sich gegen Ansprüche zur Wehr setzt.

Dieses komplizierte Dreiecksverhältnis aus Versicherungsnehmer und Prämienzahler (dem Unternehmen), versicherter Person (dem angegriffenen Manager) und dem Versicherer (der zahlen soll) führt zu schwierigen Verhandlungen. Das neue Versicherungsvertragsgesetz, das Anspruchsabtretungen des Managers an das geschädigte Unternehmen nicht mehr ausdrücklich untersagt, verstärkt die Komplikationen. Der US-Versicherer AIG versucht mit besonderen Bedingungen, das komplexe Problem zu vereinfachen.

Allerdings beginnen die Kunden, die Eigenarten der Sparte zu verstehen. „Die Qualität der Schadensachverhalte, mit denen Versicherer konfrontiert werden, hat zugenommen“, sagt Harald Köberich vom Spezialmakler Ihlas & Köberich. Früher hätten Kunden viele Schäden gemeldet, die kein Fall für den D&O-Versicherer waren. „Heute setzen sie sich intensiver mit dem Thema auseinander.“

Doch sind auch die Versicherer angesichts fallender Preise und wachsender Schäden konsequenter geworden. „Die Hürden sind weniger hoch, in einen Streit einzusteigen“, sagt Chubb-Manager Daucourt. Es gibt eigentlich keinen Großschaden, der nicht in der einen oder anderen Form in die Schlichtung oder vor Gericht geht. Spezialmakler Michael Hendricks aus Düsseldorf bietet sogar schon eine – umstrittene – Zusatz-Rechtsschutzpolice an. Damit können sich Manager für den Streit um die Deckung mit dem D&O-Versicherer bei einer anderen Gesellschaft versichern.

Zitat:

“ „Mit der Subprimekrise kommt etwas auf uns zu“ “ – Thierry Daucourt –

Bild(er):

Ein Interview von Ex-Daimler-Chef Jürgen Schrempp zur Übernahme von Chrysler kostete den Konzern 300 Mio. Dollar. Anleger fühlten sich getäuscht und klagten erfolgreich auf Schadenersatz. D&O-Versicherer zahlten den größten Teil davon – Frank Darchinger; FTD-Montage

Quelle: Financial Times Deutschland


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