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Analyse und Lösung hausgemacht

Posted By Herbert Fromme On 9. September 2008 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

Die meisten Großunternehmen haben eigene Versicherungsvermittler. Was alsModell zur Beteiligung der Industrie an den Provisionen begann, ist inzwischenein wichtiges Steuerungsinstrument

VON Herbert Fromme

Ob BMW, Siemens, Bayer oder Lufthansa – fast jeder deutsche Großkonzern besitzt einen eigenen Versicherungsmakler. Firmenverbundene Versicherungsvermittler heißen sie im Fachjargon. Meistens sind es GmbHs, die mit kleinen Truppen von 5 bis 50 Angestellten hohe Millionensummen bewegen.

Das Geschäftsmodell gibt es in dieser Form nur in Deutschland, und es kommt immer wieder unter Druck. Die Entscheidung des RWE-Konzerns, zum 1. Januar 2008 den firmenverbundenen Vermittler RWE Rhenas als eigenständiges Unternehmen aufzulösen, brachte so manchen Konzernfinanzchef ins Grübeln, ob die Form heute noch zeitgemäß ist. Aber RWE blieb bislang ein Einzelfall.

Gegründet wurden die meisten Gesellschaften von ihren Mutterkonzernen in den Sechzigerjahren. „Das war eine Reaktion auf bestimmte Verhältnisse in der Versicherungswirtschaft, insbesondere die schweren Zeiten für die Kunden“, erläutert Hans-Otto Geiger. Er ist Chef der Frankenthaler Palatina Versicherungs-Vermittlung, die dem Pumpenhersteller KSB gehört, und erster Vorsitzender des Bundesverbands firmenverbundener Versicherungsvermittler und -gesellschaften (BFV).

Die Konzerne hatten vor vierzig Jahren gute Gründe für ihren Schritt. Ihre Versicherungsabteilungen hatten immer mehr Aufgaben übernommen, die sonst Makler wahrnehmen – die genaue Definition der Risiken, die Suche des besten Versicherers, die Entwicklung von Versicherungsprogrammen. Aber im Gegensatz zu Maklern erhielten sie dafür keine Provision von der Assekuranz. Der Grund: das heute immer noch geltende gesetzliche Provisionsabgabeverbot. Danach darf ein Versicherer nur Maklern und Agenten Provisionen zahlen, und die dürfen diese Provisionen auch nicht mit Kunden teilen. Deshalb wandelten damals die Konzerne ihre Versicherungsabteilungen in Maklerfirmen um.

Rasch sah sich die Industrie einer Ablehungsfront gegenüber. Die Großmakler waren strikt dagegen – sie fürchteten zu Recht Einnahmeverluste. Die Industrieversicherer sahen nicht ein, warum Kunden plötzlich selbst zu Vermittlern wurden, die Provisionen kassierten. Das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen, heute Teil der Finanzaufsicht BaFin, fürchtete um die Einhaltung des Provisionsabgabeverbots.

Der Streit endete 1971 mit einem Erfolg der Industrie, der als Kompromiss kaschiert wurde. Für die firmenverbundenen Vermittler gilt seither ein Zulassungsverfahren. Dabei prüft im Auftrag der BaFin die sogenannte „Wiesbadener Vereinigung“, ob es sich um einen echten Vermittler mit eigener Tätigkeit oder nur um eine Provisionsabschöpfungseinrichtung handelt. Zur „Wiesbadener Vereinigung“, die bei der Gothaer in Köln angesiedelt ist, gehören fast alle in Deutschland tätigen Versicherer, nicht aber die firmenverbundenen Vermittler. An dem Verfahren sind aber die Verbände von Maklern und Firmenverbundenen beteiligt. Nur wenn die Vereinigung zugestimmt hat, dürfen die Versicherer einem Firmenverbundenen Provision zahlen.

„Wir können ein Veto einlegen oder Bedenken äußern“, erläutert BFV-Chef Geiger. „Wir tun das, wenn das eine Pseudofirma ist, die nur Provisionen abschöpfen will und das gesamte Geschäft über einen einzigen Makler platziert.“

Zurzeit gibt es genau 195 firmenverbundene Vermittler. „Rund 100 Firmen arbeiten profimäßig“, sagt Geiger. Sie sind Risikomanager ihres Mutterkonzerns und beraten darüber, welche Risiken im In- und Ausland bestehen und wie das Unternehmen am besten damit umgeht. Für die Risiken, die versichert werden müssen, arrangiert der Firmenverbundene dann den Schutz, oft in Kooperation mit einem Großmakler.

Manche Gesellschaften haben zur Freude der Finanzchefs ein erhebliches Drittgeschäft aufgebaut. So versichert die Lufthansa-Tochter Albatros 45 weitere Airlines und verdient damit mehr Provision als mit den Lufthansa-Deckungen. Bei Palatina macht das Fremdgeschäft rund 20 Prozent des Umsatzes aus. Dazu kommen 20 Prozent aus der Versicherung der Belegschaft.

Albatros bietet Belegschaftsgeschäft auch für Dritte an. „Das ist seit der Gründung so“, sagt Peter Hoffmann, Geschäftsführer Albatros Versicherungsdienste mit Zuständigkeit für Belegschaftsservice. Hoffmann weiß, dass sich die Firmenverbundenen dabei nicht von generellen Trends wie der momentanen Schwäche im Absatz von Lebensversicherungen abkoppeln können. „Das Belegschaftsgeschäft ist ein Spiegelbild des allgemeinen Marktes“, sagt er. Firmen wie der VW Versicherungsdienst drehen außerdem ein sehr großes Rad mit Angeboten für Kunden – VW hält einen Bestand von mehr als einer Million vermittelter Autoversicherungen bei der Allianz.

Aktuell spüren die Firmenverbundenen Gegenwind. Viele große Konzerne schließen ihre Versicherungsverträge inzwischen auf Nettobasis ab: Die Versicherer zahlen keine Provision und berechnen dem Kunden weniger Prämie, die Maklerdienstleistung, die der Kunde braucht, zahlt er selbst als Honorar. Der Trend zur Nettoprämie habe RWE dazu bewogen, den eigenen Makler aufzugeben, heißt es in Branchenkreisen.

Ein spürbarer Schlag könnte aus Brüssel kommen. In der EU-Kommission gibt es Kräfte, die das deutsche Provisionsabgabeverbot aufheben wollen. Dann wäre ein wichtiger Grund für die Existenz der Versicherungsabteilungen von Unternehmen als eigenständige Maklergesellschaften dahin. BFV-Präsident Geiger glaubt nicht, dass Brüssel Ernst macht mit dem Plan. „Aber selbst dann haben wir über die Vermittlung hinaus im Risikomanagement und in der internationalen Ausrichtung Aufgaben, die ohne Firmenverbundene kaum erledigt werden könnten.“

Quelle: Financial Times Deutschland


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