Abo

Qualitätsjournalismus kostet Geld. Mit Ihrem Abo sorgen Sie dafür, dass unsere Berichterstattung unabhängig bleibt.


Flüssig bleiben

Posted By Friederike Krieger On 19. September 2008 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

Mittelständler müssen vorsorgen, wenn sie nicht auf offenen Rechnungen sitzenbleiben wollen

VON Friederike Krieger

Die Rechnung ist schon längst beim Kunden angekommen, doch das Geld lässt auf sich warten. Zahlungsverzögerungen und Forderungsausfälle belasten vor allem kleinere Firmen, denn sie verfügen oft nur über eine dünne Eigenkapitaldecke. „Da kann ein Forderungsausfall schnell die Existenz kosten“, erklärt Mario Ohoven vom Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW). Er empfiehlt, für den Ernstfall vorzusorgen.

Zwar hat sich die Zahlungsmoral der Kunden in den vergangenen Jahren verbessert. Michael Bretz vom Inkassodienstleister Creditreform ist aber nicht optimistisch, dass dieser positive Trend anhält. „Das konjunkturelle Umfeld verschlechtert sich derzeit massiv“, erklärt er. Zudem sei es durch die Finanzkrise für die Unternehmen schwieriger geworden, an Bankkredite zu kommen. „Das alles wird sich negativ auf die Zahlungsmoral auswirken“, sagt Bretz.

Um sich gegen Zechpreller zu wappnen, bieten sich zunächst interne Maßnahmen an. „Die kosten nicht viel, können aber sehr wirkungsvoll sein“, erklärt Herbert Hartwig vom Versicherungsmakler Gossler, Gobert und Wolters. Firmen sollten Rechnungen ordnungsgemäß und zeitnah ausstellen und sich bei Handelsauskunfteien Informationen über die Bonität des Abnehmers beschaffen. „Auf dieser Basis lässt sich ein maximales Kreditlimit für den Kunden festlegen“, sagt Hartwig. Zudem sei ein stringentes Mahnwesen mit Inkasso nötig, um säumige Zahler an ihre Verpflichtungen zu erinnern. „Eine andere Möglichkeit, einem Forderungsausfall vorzubeugen ist Lieferung gegen Vorauskasse“, sagt Ohoven vom BVMW.

Als Alternative können die Mittelständler auch mit einem Kreditversicherer zusammenarbeiten, der einspringt, wenn der Kunde nicht zahlt. Solche Policen bieten Gesellschaften wie Euler Hermes, Atradius, Coface, Zurich und die R+V Versicherung an. Neben dem reinen Versicherungsschutz bieten sich weitere Vorteile. „Die Bonitätsinformationen der Kreditversicherer sind meist besser als die der Handelsauskunfteien“, erklärt Hartwig. Bei der Assekuranz fließen auch harte Informationen wie Bilanzen und Auskünfte von Banken in die Bewertung ein.

Viele Gesellschaften bieten inzwischen spezielle Policen für den Mittelstand an. „Kreditversicherungen für kleine Unternehmen müssen einfach gestrickt sein“, sagt Michael Timmermann vom Kreditversicherer Atradius. Die Gesellschaft hat eine abgespeckte Police für Unternehmen mit einem Umsatz von unter 2 Mio. Euro im Angebot, die ab 1500 Euro im Jahr zu haben ist. Die sonst umfangreiche Risikoprüfung beschränkt sich hier nur auf wenige Fragen. Während die Policen für große Unternehmen oft auch bei Zahlungsverspätungen leisten und Forderungsausfälle aufgrund von Krieg, Terror und Naturkatastrophen abdecken, zahlt die Versicherung für Kleinbetriebe nur, wenn der Kunde pleitegeht. „Die Insolvenz des Kunden ist für einen Mittelständler der denkbar schlimmste Fall“, erklärt Timmermann.

Schutz vor dem Konkurs der Auftraggeber war auch für das Straßen- und Tiefbauunternehmen Franz Schelle aus dem bayerischen Pfaffenhofen der Grund, sich Anfang des Jahres eine Kreditversicherung zuzulegen. Das 160 Mitarbeiter starke Unternehmen mit einem Umsatz von rund 25 Mio. Euro hat ein- bis zweimal im Jahr mit Forderungsausfällen aufgrund von Insolvenz zu kämpfen.

„Da kommen schon ansehnliche Beträge zusammen“, sagt Franz Meier, kaufmännischer Leiter von Franz Schelle. Die Kreditversicherung der Firma leistet zudem, wenn der Kunde die Zahlung wegen angeblicher Mängel verweigert. Vor allem in der Bauindustrie versuchen die Auftraggeber auf diese Weise, den Rechnungsbetrag zu drücken.

Immer mehr Mittelständler setzen auf Factoring, um sich abzusichern. Dabei verkauft die Firma ihre Forderung an ein Factoring-Unternehmen. Den Großteil des Geldes erhält sie sofort, den Rest, wenn der Kunde gezahlt hat. „Das Ankaufvolumen aus kleinen und mittleren Unternehmen stieg 2007 in unserem Verband von 1,7 Mrd. Euro auf 6,12 Mrd. Euro“, sagt Volker Ernst vom Bundesverband Factoring für den Mittelstand.

Auch der Makler Hartwig hat die Erfahrung gemacht, dass seine Kunden inzwischen mehr Factoring als Kreditversicherungen nachfragen. Factoring sei nicht unbedingt billiger, biete aber andere Vorteile. „Eine Kreditversicherung zahlt erst dann, wenn der Schaden eingetreten ist. Factoring wirkt dagegen wie eine Liquiditätsspritze, die der Firma zusätzliches Wachstum ermöglicht.“

Quelle: Financial Times Deutschland


Article printed from Versicherungsmonitor: https://versicherungsmonitor.de

URL to article: https://versicherungsmonitor.de/2008/09/19/flussig-bleiben/