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Frühe Rehabilitation lohnt sich

Posted By Friederike Krieger On 27. Oktober 2008 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

Um die steigenden Kosten für die Betreuung von Schwerverletzten in den Griffzu bekommen, haben Rückversicherer eigene Dienstleister für dieWiedereingliederung aufgebaut

VON Friederike Krieger

Der 35-jährige Tischlergeselle Peter M. hatte sich seit Monaten auf seine erste Motorradtour nach der Winterpause gefreut. Doch die Fahrt hatte ein böses Ende. Ein Pkw nahm ihm die Vorfahrt, Peter M. stürzte. Seitdem ist er querschnittgelähmt. Aufgrund der Schwere seiner Verletzungen schaltete der Kfz-Haftpflichtversicherer des Pkw-Fahrers den „Rehabilitationsdienst“ des Rückversicherers Gen Re ein. Die Mitarbeiter des Dienstes nahmen bereits in der Klinik den ersten Kontakt mit dem Verletzten auf. Sie unterstützten ihn nicht nur bei der medizinischen Rehabilitation, sondern berieten ihn auch beim Bau eines rollstuhlgerechten Hauses und halfen bei der Umgestaltung von Auto und Arbeitsplatz.

Viele Kfz-Versicherer arbeiten bei Personenschäden mit Reha-Dienstleistern zusammen. Fast alle großen Dienste gehören den Rückversicherern. Gen Re hat den Rehabilitationsdienst, Swiss Re gehört die Gesellschaft Re Intra. Die Münchener Rück hält an dem Dienst Rehacare zwar nur noch 25 Prozent, der Rest gehört der Allianz. Doch Mercur Grip, ein auf berufliche Rehabilitation spezialisierter Dienstleister, ist noch fest in den Händen der Münchener Rück.

Ihre Reha-Töchter haben die Rückversicherer in den 90er-Jahren aufgebaut. Damals begann ein für die Assekuranz teurer Trend. „Die finanziellen Aufwendungen für Personenschäden in der Kfz-Versicherung fingen an, überproportional anzusteigen“, erklärt Hans Schleich, Geschäftsführer von Re Intra. Autos mit Airbags kamen in Mode. Dadurch starben weniger Menschen bei Unfällen, aber es gab mehr Schwerverletzte. Sie kommen Kfz-Haftpflichtversicherer teuer zu stehen. Im schlimmsten Fall muss die Gesellschaft lebenslang für Pflege und Verdienstausfall aufkommen. Diese Großschäden schlagen auch auf die Rückversicherer durch, bei denen die Erstversicherer Schutz vor großen Belastungen einkaufen. „Insofern lag es auch im Eigeninteresse der Rückversicherer, hier tätig zu werden“, sagt Schleich.

Das glaubt auch Jutta Eich, Geschäftsführerin des Rehabilitationsdienstes. „Die Assekuranz wollte nicht mehr bloß Zahlmeister sein, sondern aktiv die eigenen Schäden managen“, sagt sie. Es sei ein Lotse nötig, der das Unfallopfer sicher durch das unübersichtliche deutsche Gesundheitssystem führt, sagt Schleich. Das Ziel ist, den Schwerstverletzten wieder in Lohn und Brot zu bringen. Re Intra gelingt das in rund 50 Prozent der Fälle. „Im Idealfall ergibt sich eine Win-win-Situation: Das Unfallopfer gewinnt an Lebensqualität und der Versicherer spart Geld“, sagt Schleich. Die Ersparnis kann mehrere Hunderttausend Euro betragen.

Die Rückversicherer wollen mithilfe des Personenschadenmanagements aber nicht nur ihre Aufwendungen reduzieren, sondern auch den Erstversicherern Service bieten. „Für einen einzelnen Erstversicherer lohnt sich meist kein eigener Rehabilitationsdienstleister, weil er tendenziell zu wenig Großschäden hat“, sagt Schleich. Reha-Dienste sind für die Rückversicherer auch ein Mittel zur Kundenbindung.

Die Zusammenarbeit zwischen den Reha-Managern und Versicherern wird enger. „Immer mehr Versicherer integrieren diese Leistungen in ihre Produkte“, sagt Klaus Rottmann, Geschäftsführer von Mercur Grip. Statt von Fall zu Fall zu entscheiden, ob sie Reha-Dienste in Anspruch nehmen, verankern diese Gesellschaften einen Anspruch auf Reha-Management in ihren Unfall- und Berufsunfähigkeitspolicen.

„Der Bedarf an Reha-Management wird weiter wachsen“, glaubt Eich vom Gen Re Rehabilitationsdienst. „Gerade im Bereich der Lebensversicherung wollen viele Gesellschaften ihre Invaliditäts- und Pflegeversicherungen mit entsprechenden Assistance-Leistungen anreichern“, sagt sie. Schleich von Re Intra sieht bei Berufsunfähigkeitspolicen viel Potenzial, vor allem wenn es um psychische Leiden geht. „Einem Großteil der Erkrankten kann medizinisch geholfen werden, sodass eine Rückkehr ins Berufsleben möglich ist“, sagt er. Die Versicherten bräuchten Zeit und einen Experten, der sich um sie kümmert. Auch Vorsorgeangebote wären hilfreich, um zu verhindern, dass Burn-out-Kandidaten verzweifeln und berufsunfähig werden.

Um die ganze Palette an Dienstleistungen von der Prävention über Assistance im Schadenfall bis hin zum Reha-Management abdecken zu können, kooperiert Re Intra mit Europ Assistance. Die Generali-Tochter organisiert einfache Dienstleistungen wie Putzhilfe oder Essensservice. Re Intra kann nur eine begrenzte Anzahl an Personen intensiv betreuen, Europ Assistance schultert dagegen ganze Versicherungsbestände – und ist 24 Stunden am Tag erreichbar.

Einen großen Autoversicherer haben die beiden Partner schon als Kunden gewinnen können. Hier geht es aber nicht um Kfz-Policen, sondern um Restschuldversicherungen. Die leisten, wenn ein Autokäufer, der seinen Wagen finanziert hat, den Kredit nicht mehr bedienen kann. Wenn Berufsunfähigkeit die Ursache dafür ist, sollen Re Intra und Europ Assistance den Kunden wieder fit machen.

Quelle: Financial Times Deutschland


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