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Erste Unruhe vor dem Sturm

Posted By Herbert Fromme On 21. November 2008 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

Die Finanzkrise wirft Schatten auf das Geschäft der Versicherungsmakler.Kunden wollen Geld sparen, Versicherer höhere Preise und der wichtige AnbieterA IG steckt in großen Schwierigkeiten

VON Herbert Fromme

und Anja Krüger

E in wenig ist es so, als ob zwei voll beladene Güterzüge aufeinander zufahren – und die Versicherungsmakler stehen in der Mitte. Die Finanzkrise, die sich zur Wirtschaftskrise entwickelt, hat weit reichende Konsequenzen für die Anbieter von Industrie- und Gewerbeversicherungen einerseits und ihre Kunden andererseits. Im Jahr 2009 dürften diese sehr unterschiedlichen Interessen hart aufeinanderprallen.

Noch ist es ruhig. „Die Auswirkungen der Finanzkrise spürt man in den Verhandlungen für die Verträge des Jahres 2009 bisher kaum“, sagt Sven Erichsen aus der Geschäftsführung von Aon Jauch & Hübener, Marktführer unter den Versicherungsmaklern und Teil der US-Gruppe Aon. „Die Versicherer ändern langsam die Tonlage. Aber das wäre wahrscheinlich auch ohne Finanzkrise gekommen.“ Doch von der praktischen Umsetzung, der von der Assekuranz angekündigten drastischen Erhöhung der Preise, könne man bislang wenig entdecken.

Dabei könnte die Finanzkrise einigen Anbietern echte Schwierigkeiten bereiten. Denn die hohen Erträge aus den Kapitalanlagen, mit denen sie bislang rechnen und die den Preisverfall kompensieren konnten, sind durch die Krise unter Druck, ebenso wie ihre Kapitalbasis. Die Anbieter müssen mehr denn je darauf achten, dass sich das Versicherungsgeschäft selbst trägt, dass Schäden plus Vertriebs- und Verwaltungskosten nicht mehr als 100 Prozent der Beitragseinnahmen ausmachen. Entsprechend kräftig hatten einige Versicherer im Vorlauf der Verhandlungen für 2009 getrommelt, jetzt sei die Zeit steigender Preise gekommen.

„Es gibt ernstzunehmende Anzeichen dafür, dass sich die für die Kunden günstige Preissituation ändert, die wir dankenswerterweise in den vergangenen Jahren hatten“, stellt Tilman Kay fest, einer der Geschäftsführer des großen Versicherungsmaklers Ecclesia in Detmold. Die Frage ist, ob sich höhere Preise in Zeiten der Wirtschaftskrise durchsetzen lassen. „Bei den Kunden wird es aufgrund der Finanzkrise auch eng“, weiß Aon-Mann Erichsen. „Sie werden versuchen, die Ausgaben für die Versicherung so niedrig wie möglich zu halten.“ Eine bewährte Möglichkeit sei, den Selbstbehalt auszuweiten oder auf bestimmte Deckungen zu verzichten, sagt er.

Die Notlage des größten US-Versicherers American International Group (AIG) macht die Situation noch komplizierter. AIG ist in großen Schwierigkeiten, weil eine Tochter des Konzerns außerhalb des eigentlichen Versicherungsgeschäfts Kreditderivate für Banken abgesichert hatte.

Inzwischen braucht AIG 150 Mrd. $ Staatshilfe, um den Konkurs zu vermeiden. Das sorgt für Unruhe bei vielen Kunden. Dennoch bleiben sie – und die wichtigen Makler – AIG treu. „Wir laufen nicht weg“, sagt Hans-Otto Geiger, Chef des Versicherungsdienstes des Pumpenherstellers KSB und Präsident des Bundesverbands der firmenverbundenen Versicherungsvermittler. Die niedrigen Preise, die AIG im Moment zur Kundenerhaltung durchaus anbietet, sind dabei nicht ausschlaggebend. Der eigentliche Grund: Der Industrieversicherungsmarkt in Deutschland ist sehr übersichtlich. „Allianz und HDI-Gerling sind die einzigen beiden verbliebenen großen deutschen Anbieter“, sagt Geiger. Bedeutend sind auch die Schweizer Gesellschaft Zurich und die französische Axa. Fällt AIG weg, wird der Markt noch enger. Und bei großen internationalen Programmen ist der US-Versicherer mit seiner Präsenz in mehr als 130 Ländern schwer zu ersetzen.

Die firmenverbundenen Vermittler, die Konzernen wie Bayer, VW oder KSB gehören, haben auf die Krise mit der Aufnahme von speziellen Kündigungsklauseln in die Verträge reagiert, berichtet Geiger. „Diese Klauseln sehen ein außerordentliches Kündigungsrecht vor, wenn das Rating eines Versicherers unter einen bestimmten Wert fällt“, sagt er. In der Regel liegt die verlangte Einstufung bei mindestens „A-„.

Das Rating ist nicht das einzige Kriterium für die Versicherungseinkäufer. „Auch der Sitz der Firma ist wichtig“, sagt Geiger. Dass einem auf Bermuda ansässigen Versicherer in einer Notlage ähnlich geholfen werde wie AIG von der US-amerikanischen Regierung, sei unwahrscheinlich.

Für die Versicherungsmakler ist die Situation nicht einfach. Sie müssen für ihre Kunden preisgünstigen Schutz finden und gleichzeitig mehr denn je auf die finanzielle Sicherheit der Anbieter achten. Die Treue zu AIG geht deshalb Hand in Hand mit der Erstellung von Alternativplänen bei fast allen Maklern und ihren großen Kunden.

Die Vermittlerbranche ist selbst im Umbruch. Anbieter wie Ecclesia oder Martens & Prahl sammeln kleinere und mittelgroße Konkurrenten ein und bilden größere Gruppen. Vor allem die US-Anbieter Aon und Marsh sind unter starkem Ertragsdruck, weil die niedrigen Preise zu geringeren Provisionseinnahmen führen. Mit Forderungen nach Sonderprovisionen oder Gebühren für die Policenausstellung versuchen sie gegenzusteuern. Das stößt bei Kunden auf wenig Begeisterung.

Der Wettbewerb in der Branche nimmt insgesamt kräftig zu – und wird gelegentlich mit harten Bandagen ausgetragen. Jetzt diskutieren die Mitglieder des Verbands Deutscher Versicherungsmakler, sich einen Verhaltenskodex für den Wettbewerb zu geben. Der Entwurf sieht unter anderem ein Verbot des Einbruchs in fremde Bestände „mit unlauteren Mitteln“ vor. „Unlauter ist insbesondere, wenn … fremde Geschäftsgeheimnisse unrechtmäßig erlangt und/oder verwertet oder Versicherungsmakler beziehungsweise deren Mitarbeiter zum Vertragsbruch verleitet werden“, heißt es. Auch die Abwerbung von leitenden Mitarbeitern der Konkurrenz mit unlauteren Mitteln soll verboten werden, ebenso die Verunglimpfung von Wettbewerbern und die Beeinflussung von Kunden durch Zuwendungen oder Geschenke.

Quelle: Financial Times Deutschland


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