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Nicht alle werden überleben

Posted By Anja Krüger On 21. November 2008 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

In der deutschen Industrieversicherung herrscht harter Wettbewerb. Die Preisefür Deckungen sind extrem niedrig. Fachleute sind uneins darüber, ob dieFinanzkrise eine Trendwende bewirkt

Noch hat die Finanzkrise nicht zu einem Stopp des Preisverfalls in der Industrieversicherung geführt. Ob das 2009 geschehen wird, ist ungewiss. Zu erwarten ist dagegen, dass die Wirtschaftskrise bei Versicherern zu geringeren Prämieneinnahmen und bei Maklern zu sinkenden Provisionen führen wird.

Die Industrieversicherung gilt als Königsklasse der Assekuranz. Die Prämieneinnahmen in der Sparte liegen in Deutschland bei rund 20 Mrd. Euro im Jahr. Auf die Hochpreisphase 2000 bis 2003 folgte ein massiver Preisverfall. Darunter leiden nicht nur Versicherer, sondern auch die Vermittler. Ihre Provision hängt von der Höhe der Prämie ab. Die Erneuerungsrunde für die Verträge für 2009 liegt in den letzten Zügen, die meisten Unternehmen haben die neuen Verträge unterschrieben. Versicherer rufen das Ende des Prämienverfalls aus. „Die Preise sind im Großen und Ganzen stabil geblieben“, sagt Gerhard Heidbrink, Vorstand beim führenden Industrieversicherer HDI-Gerling, einer Tochter des Talanx-Konzerns. HDI-Gerling hatte in der Industrieversicherung 2007 Prämieneinnahmen von 2,78 Mrd. Euro. Mehr als 50 Prozent des Geschäfts wird über Makler abgewickelt. Vereinzelt habe es bei den Preisen Ausschläge nach unten gegeben, weil Wettbewerber angriffslustig waren, sagt Heidbrink.

Georg Bräuchle, Geschäftsführer und COO beim Großmakler Marsh, macht ganz andere Beobachtungen. „Der Wettbewerb tobt“, sagt er. „Die Preise geben weiter nach.“ Schwierig und teuer ist der Versicherungsschutz allenfalls für Branchen, die wie Banken direkt von der Krise betroffen sind. Auch Florian Karle vom Makler Südvers sieht weitere Preisnachlässe: „Das gilt vor allem für die industrielle Sachversicherung.“

Auch die Einschätzungen über die Entwicklung im kommenden Jahr gehen weit auseinander. „Wir sind leicht optimistisch“, sagt Heidbrink. Er ist davon überzeugt, dass die Preise steigen. Viele Versicherer schreiben in der Versicherungstechnik rote Zahlen und kommen nur über die Erträge an den Kapitalmärkten über die Runden. Dieses Modell funktioniert wegen der Krise schlechter. Deshalb geht auch Makler Karle von steigenden Preisen aus. „Wenn der Dax unter 3000 Punkte fällt, wird sich der Trend gedreht haben“, sagt er. Viele Kunden seien davon überzeugt, dass die jetzigen Preise für Versicherungsschutz nicht bleiben. „Sie sagen: Das sieht schwer nach Einstiegspreis aus, im nächsten Jahr wird es bestimmt teurer“, berichtet er. Deshalb dringen Kunden immer stärker auf Mehrjahresverträge zu heutigen Preisen.

Dagegen glaubt Marsh-COO Bräuchle nicht an die Trendwende. „Theoretisch kann ich die Gründe für Preiserhöhungen gut nachvollziehen“, sagt er. „Aber ich sehe keine Preiserhöhungen.“ Nach seiner Einschätzung bleibt der Wettbewerb hart, weil neue Anbieter wie Mapfre oder Mitsui Sumitomo weiter auf den Markt drängen. Daran ändert auch nichts, dass die in Deutschland in der Industrieversicherung stark vertretene Gesellschaft AIG im Zuge der Finanzkrise sehr gelitten hat und von der US-amerikanischen Regierung übernommen werden musste. „Es gibt deswegen Aufgeregtheit bei den Wettbewerbern und Gelassenheit bei den Kunden“, sagt Bräuchle. Die Kunden verfolgten die Entwicklung aufmerksam. „Sie fragen nach den Alternativen“, sagt er. „Es gibt eine gewisse Skepsis, dass die anderen nicht auch getroffen werden.“ Das dämpfe jede Wechselbereitschaft.

Nicht nur durch weitere Preisnachlässe drohen die Einkünfte von Versicherern und Maklern zu sinken. „Die Krise wird bei den Kunden ankommen“, sagt Bräuchle. Bei vielen Verträgen ist die Höhe der Prämie an den Umsatz des Unternehmens gekoppelt. Geht der Umsatz zurück, sinkt die Prämie. Bräuchle erwartet, dass viele kleinere Makler die nächsten Jahre nicht überstehen und die Konsolidierung der stark fragmentierten Branche beginnt.

Damit rechnet auch Makler Karle von Südvers. Er ist zuversichtlich, dass sein Haus fallende Prämieneinnahmen durch wachsendes Neugeschäft kompensieren kann. Vermittlerfirmen, die das nicht können, stehen möglicherweise vor dem Aus. „Wir wollen wachsen und sind an Übernahmen interessiert“, sagt er. Ohnehin sieht Karle in der Krise neue Chancen. „Der Beratungsbedarf der Kunden wird zunehmen“, sagt er. Gehen die Preise nach oben, suchen Unternehmen nach Alternativen zum klassischen Versicherungsschutz. Dann schlägt die Stunde der Makler, die eine profunde Risikoanalyse und Konzepte für präventive Maßnahmen anbieten.

Anja Krüger

Quelle: Financial Times Deutschland


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