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Klagen ohne Kostenrisiko

Posted By Friederike Krieger On 3. März 2009 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

Prozessieren kann ins Geld gehen · Spezialdienstleister finanzierenanfallende Gebühren, akzeptieren aber nicht jeden Fall

VON Friederike Krieger

Beim österreichischen Verbraucherverband VKI stapeln sich derzeit Beschwerden unzufriedener AWD-Kunden. Auf Anraten des Finanzvertriebs hatten sie Aktien des österreichischen Immobilienunternehmens Immofinanz gekauft – ein sicheres und ertragreiches Produkt, wie die Berater versicherten. Auf die Möglichkeit eines Totalverlusts habe AWD nicht hingewiesen, klagen die Verbraucher. Doch der Crash kam Ende 2008, als die Immofinanz-Aktie im Zuge der Finanzkrise ins Bodenlose stürzte. Der Schaden der rund 6500 Kunden, die sich bisher gemeldet haben, beläuft sich auf gut 50 Mio. Euro.

Der VKI will mit den Beschwerden eine Sammelklage gegen AWD führen. Kostspielig wird das Vorhaben aber weder für den VKI noch für die AWD-Kunden. Das nötige Kapital kommt vom deutschen Prozessfinanzierer Foris.

Sind die Erfolgsaussichten einer Klage hoch, übernimmt das Bonner Unternehmen die Kosten für den Prozess. Gewinnt der Kläger, muss er 20 bis 30 Prozent der erstrittenen Summe an Foris abgeben, je nachdem wie kompliziert der Fall ist und wie hoch der Streitwert. Verliert der Kunde, muss er nichts zahlen. „Der Anspruchsinhaber kann klagen, ohne ein Kostenrisiko einzugehen“, sagt Gerrit Meincke, Leiter Prozessfinanzierung bei Foris. Das Unternehmen war 1998 der erste Prozessfinanzierer am Markt. Inzwischen sind weitere Firmen dazugekommen, darunter die Versicherer Allianz, Roland und DAS.

„Viele Prozesse werden aus wirtschaftlichen Gründen nicht geführt, obwohl die Erfolgschancen hoch sind“, erklärt Martin Lenz, Vorstand der 2001 gegründeten Gesellschaft Roland Prozessfinanz. Bei einem Streitwert von 500 000 Euro fallen allein für die erste Instanz rund 26 800 Euro an Gerichts- und Anwaltskosten an (siehe Tabelle), sagt Lenz. Hinzu kommen mögliche Kosten für die Vorladung von Zeugen und Sachverständigen. Verliert der Kläger den Prozess, muss er zudem den gegnerischen Anwalt bezahlen. Je höher der Streitwert ist, desto kostspieliger wird das Verfahren.

Prozessfinanzierung eignet sich für Kläger, die durch alle Raster fallen. „Sie ist ein Auffangnetz für Kunden, die keine Rechtsschutzversicherung haben oder deren Police den konkreten Fall nicht abdeckt“, erklärt Lenz. Oft geht es bei den Fällen, die Roland Prozessfinanz betreut, um Arzthaftung. Beispielsweise verklagen Eltern, deren Kind mit einem Geburtsschaden auf die Welt gekommen ist, den behandelnden Arzt. Auch bei Erbstreitigkeiten und Prozessen um Kapitalanlageprodukte schalten Kläger den Finanzierer oft ein.

„Wenn sich keine andere Möglichkeit eröffnet, ein Verfahren zu bezahlen, dann kann ein Prozessfinanzierer hilfreich sein“, sagt Elke Weidenbach von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.

Doch die Unternehmen finanzieren längst nicht jeden Prozess. Foris und Roland beispielsweise verlangen einen Mindeststreitwert von 50 000 Euro. „Wir lehnen etwa 95 Prozent aller Anfragen ab“, sagt Meincke. Das passiert, wenn die Beweislage zu unsicher ist, die Ansprüche verjährt sind oder die Gegenseite nicht zahlungskräftig ist.

Die Finanzierer prüfen außerdem jeden angebotenen Fall akribisch auf seine Erfolgschancen. Die Prüfung an sich ist zwar kostenlos, doch viele Gesellschaften verlangen, dass der Anwalt des Klägers eine Klageschrift erstellt, in der der betreffende Fall ausführlich erläutert wird. Diese Anfangskosten muss der Kläger zunächst selbst tragen. Viele Prozessfinanzierer erstatten dem Kunden den Betrag aber, wenn sie den Fall annehmen. Rund 70 Prozent der Prozesse, die Foris und Roland finanzieren, gehen mit einem Erfolg für den Kläger aus.

Quelle: Financial Times Deutschland


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