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Virologen warnen vor Panikmache

Posted By Herbert Fromme On 30. April 2009 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

Gesundheitsministerin Schmidt will Informationspflicht für Ärzte verschärfen· Flugreisende aus Mexiko kontrolliert

VON Falk Heunemann

Und Herbert fromMe, Berlin

Nach den ersten Fällen von Schweinegrippe in Deutschland haben Politiker und Mediziner vor Panik gewarnt. Die erkrankten Deutschen seien außer Lebensgefahr, sagte Jörg Hacker vom Robert-Koch-Institut (RKI). „Uns beruhigt, dass die antiviralen Grippemittel innerhalb von 48 Stunden wirken.“ Auch sei kein Fall bekannt, bei dem die Grippe außerhalb Mexikos übertragen wurde. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) sagte, die Entwicklung erfülle sie zwar mit Sorge. „Aber alles, was wir tun können, tun wir.“ Sie kündigte zugleich eine Verordnung an, wonach Ärzte bei Schweinegrippeverdachtsfällen sofort die Behörden informieren sollen. Bislang besteht diese Mitteilungspflicht nur für Labore.

Offensichtlich sind die Behörden nun bemüht, zwar vor der Seuche zu warnen, zugleich aber die Alarmstimmung der letzten Tage einzudämmen. So hatte Gesundheitsministerin Schmidt noch am Dienstag vor einer „weltweiten Grippewelle“ gewarnt. Nun spricht sie von regional eingrenzbaren Fällen. Meldungen von bis zu 150 Grippetoten in Mexiko – die inzwischen nach unten revidiert wurden – erinnern viele an die Sars-Seuche vor sechs Jahren. An der Lungenerkrankung starben 2003 in Asien mehr als 900 Menschen. Zu Panikreaktionen kam es 2006 wegen der Vogelgrippe. Damals deckten sich viele mit Medikamenten ein, Hunderttausende Nutztiere wurden aus Angst vor dem H5N1-Virus getötet.

Auch diesmal melden Apotheken ebenfalls eine steigende Nachfrage nach Medikamenten. Die Regierung warnte aber davor, Tamiflu und ähnliche Medikamente präventiv einzunehmen. Ärzte untersuchten unter anderem in Frankfurt, München und Düsseldorf ankommende Passagiere aus Mexiko auf Grippesymptome. An Reisende werden Informationsbroschüren verteilt, die vor Ansteckung warnen.

Die Schweinegrippe des Virentyps H1N1 sei viel ungefährlicher als die Vogelgrippe, erklä;rt der Berliner Immunologe Stefan Kaufmann. Die Schweinegrippe sei zwar im Gegensatz zur Vogelgrippe von Mensch zu Mensch übertragbar, die Todesrate liege aber nur bei rund einem Prozent. „Bei der Vogelgrippe sind es 30 bis 50 Prozent.“ Am Donnerstag treffen sich im RKI Grippeexperten, um Szenarien der Virenausbreitung zu besprechen.

Infolge der Vogelgrippe und Sars haben die Bundesländer Pandemiepläne aufgestellt. So ist vorgesehen, dass sie für 20 Prozent der Bevölkerung Grippemedikamente einlagern – Forscher erwarten, dass bei einem Ausbruch der Grippe in Deutschland nicht sofort die gesamte Bevölkerung erkrankt. Die Empfehlung haben die Länder unterschiedlich umgesetzt. Während NRW für ein Drittel der Einwohner vorgesorgt hat, reicht es in Norddeutschland nur für jeden Zehnten.

Auch die deutschen Versicherer zeigen sich gelassen. „Nach Szenarioberechnungen halten wir es in der Lebensversicherung finanziell aus, wenn eine Pandemie vom Ausmaß der Spanischen Grippe von 1918 eintritt“, sagte Rolf-Peter Hoenen, Präsident des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft. Auch die Krankenkassen erwarteten keine größeren Kosten, da die Schweinegrippe mit Medikamenten gut behandelbar sei.

GrippeSchutz

Symptome Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt hat die Bevölkerung aufgerufen, bei Auftreten von Symptomen und vorherigem Kontakt mit Mexikoreisenden sofort den Arzt aufzusuchen. Anzeichen sind wie bei anderen Grippeerkrankungen hohes Fieber, Muskelschmerzen, Husten und ein trockener Hals. Dazu kommen starker Durchfall und Übelkeit. Über Maßnahmen informiert das Ministerium unter 01805-996619.

Verbreitung Die weitaus meisten Erkrankten gibt es in Mexiko. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch außerhalb dieses Staates wurde bislang nicht registriert. Der Virus wird durch Tröpfcheninfektion über die Atemwege weitergegeben, unter anderem durch Husten, Niesen, Küssen.

Behandlung Gegen die Symptome helfen laut WHO moderne Medikamente wie Tamiflu und Relenza. Ein vorbeugender Impfstoff muss noch entwickelt werden.

Flugreisen Die Lufthansa nimmt künftig auf ihren Mexikoflügen einen Arzt mit, der die Passagiere schon während des Fluges kontrollieren soll, kündigte die Airline an. Die Lufthansa-Tochter Swiss will ihre Langstreckenflüge mit rezeptpflichtigen Grippemedikamenten ausstatten. Reiseanbieter TUI bietet Passagieren bis Ende Mai kostenlose Umbuchungen und Stornierungen an, bei Thomas Cook ist dies bis 7. Mai möglich.

Quelle: Financial Times Deutschland


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