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Milliardenloch droht bei Betriebsrenten

Posted By Redaktion On 10. Juni 2009 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

Pensionsfonds wurde als Verschiebebahnhof genutzt

Die Arcandor-Insolvenz kommt die gesamte Wirtschaft teuer zu stehen. Sie muss über den Kölner Pensionssicherungsverein (PSV) für die Verpflichtungen des Konzerns gegenüber heutigen und künftigen Betriebsrentnern aufkommen. „Wir könnten einen Milliardenschaden sehen“, sagte PSV-Vorstand Martin Hoppenrath der FTD. Der größte Einzelschaden, den der PSV bislang verkraften musste, war 1982 die Pleite von AEG mit 1 Mrd. DM. Peter Doetsch, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Mercer, erwartet eine Belastung von „deutlich über 1 Mrd. Euro“. Der PSV-Beitrag werde sich von heute 0,18 Prozent des Kapitalwerts der abgesicherten Betriebsrenten auf 0,6 Prozent bis 0,8 Prozent erhöhen, so Doetsch.

Externer Pensionsfonds Arcandor hatte einen Teil der Verpflichtungen für Betriebsrenten in einen externen Pensionsfonds, ein sogenanntes Contractual Trust Arrangement (CTA) ausgelagert. Ein CTA wird ausfinanziert – meist durch Abgabe von Aktien, anderen Wertpapieren oder Immobilien. Wie alle 73 000 Unternehmen, die Mitarbeitern eine Betriebsrente zusagen, ist Arcandor PSV-Mitglied.

CTAs sind in Deutschland eine verbreitete, aber noch junge Erscheinung. „Es gibt keine Erfahrung damit, was mit einem CTA bei einer Insolvenz geschieht“, sagte Hoppenrath. „Wir betreten hier Neuland.“ Der PSV muss bei Arcandor auf jeden Fall die Differenz zwischen dem CTA-Vermögen von offiziell 2,1 Mrd. Euro und den Betriebsrentenverpflichtungen von mehr als 3 Mrd. Euro aufbringen. „Das CTA-Vermögen steht dem PSV zu“, sagte Experte Doetsch. Spannend sei, wer das CTA abwickle. „So etwas musste der PSV bislang nie tun.“

Für PSV-Vorstand Hoppenrath stellt sich allerdings „die große Frage, ob das Vermögen tatsächlich werthaltig ist“. Denn nach FTD-Informationen war das CTA in den vergangenen Jahren von Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff immer wieder als Verschiebebahnhof missbraucht worden, um Finanzbedürfnisse des Konzerns zu befriedigen.

Rentengelder als Notanker

Von den 2,1 Mrd. Euro, die das Arcandor-CTA zum 30. September 2008 auswies, waren zwei Drittel in Arcandor-Vermögenswerten angelegt. Weniger als ein Drittel waren klassische externe Bank- und Fondsanlagen. Der Wert der Arcandor-Assets ist mit der Insolvenz äußerst zweifelhaft. So musste das CTA der Arcandor-Tochter Primondo Specialty Group eine stille Einlage von 500 Mio. Euro gewähren. Der Spezialversender reichte diese Summe als Kredit an die Arcandor AG weiter, „zur Deckung des allgemeinen Finanzierungsbedarfs“, wie es in einem PWC-Gutachten über Arcandor für die Bundesregierung heißt. Nun muss sich Primondo in die Schlange der Arcandor-Gläubiger einreihen. Ob sie die vollen 500 Mio. Euro bekommt und zurückzahlen kann, ist fraglich.

Dem CTA – und damit den Betriebsrentnern – gehören außerdem die KarstadtQuelle-Bank und die frühere Karstadt Hypothekenbank, die heute Valovis Bank heißt. Vaolvis aber dürfte durch die Arcandor-Insolvenz ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen werden. Unter anderem hat die Bank Arcandor einen Kredit von 75 Mio. Euro gewährt, der allerdings mit Immobilien besichert ist.

Angela Maier, München, Anja Krüger und Herbert Fromme, Köln

Quelle: Financial Times Deutschland


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