Wo Einzelhändler Schlange stehen

Im Kölner Einzugsgebiet leben vier Millionen Menschen, stündlich strömenTausende durch die Einkaufsstraßen. Heiß begehrt sind deshalb die Ladenflächenim Zentrum. Für Nebenlagen interessiert sich indes niemand

Direkt am Rhein vor der Kirche Groß St. Martin steht das alte Kölner Stapelhaus. Im Mittelalter lagerten hier Kaufleute ihre Waren, verarbeiteten sie weiter und verkauften sie. Das sogenannte Stapelrecht verpflichtete alle Händler, die ihre Waren über den Rhein transportierten, sie drei Tage lang in Köln feilzubieten. Die Regelung machte die Kölner Bürger reich. Der Handel mit Pelzen, Textilien, Fisch und Baumaterialien blühte.

„Das Stapelrecht hat sicherlich einen der Grundsteine für die heutige Handelsmetropole Köln gelegt“, sagt Elisabeth Slapio, Geschäftsführerin im Bereich Handel der Industrie- und Handelskammer (IHK) Köln. „Die Stadt war Hansestadt und früh kaufmannschaftlich organisiert.“

Bis heute wirkt sich die alte Handelstradition auf die Domstadt aus. In der Hohen Straße, auch jetzt noch eine der Haupteinkaufsmeilen, eröffnete Leonhard Tietz 1891 eines der ersten großen Warenhäuser, den Vorläufer der heutigen Galeria Kaufhof. Heute sind etliche Einzelhandelsunternehmen in der Stadt ansässig – von Traditionsgeschäften wie dem Modehaus Franz Sauer bis zu Filialen internationaler Marken. Nicht nur Lebensmittelgroßhändler wie Lekkerland, Handelshof oder Rewe haben in der Stadt ihren Hauptsitz, sondern auch Großmärkte für Holz, Baustoffe und technischen Bedarf. „Damit ist der Handel nicht nur ein wichtiger Wirtschaftszweig für die Kölner Wirtschaft, sondern auch ein wichtiger Standortfaktor für die gesamte Region“, sagt Slapio.

Der Großhandel profitiert von der zentralen Lage der Stadt in Europa und ihrer guten Verkehrsanbindung. „Köln verfügt über einen der größten Güterumschlagbahnhöfe Deutschlands und den zweitgrößten Binnenhafen des Landes“, sagt Matthias Mainz aus dem Geschäftsbereich Industrie, Volkswirtschaft, Innovation und Umwelt der IHK. „Auch Flughafen und Autobahnring sind nicht weit.“

Darüber hinaus schätzen die Händler die Nähe zu anderen Handelsunternehmen, zu denen sie schnell Kontakt knüpfen und mit denen sie gemeinsame Projekte entwickeln können. Die Branche sieht der Zukunft optimistisch entgegen. „Der Exportmarkt hat sich erholt, deswegen schätzen die Kölner Großhändler ihre Chancen für die nächsten Monate gut ein“, sagt Mainz.

Auch für Einzelhändler bleibt Köln ein attraktiver Standort. Weil hier viele Dienstleistungs- und Industrieunternehmen tätig sind, bietet die Stadt einen guten Absatzmarkt. Mehr und mehr ausländische Touristen kommen zum Shoppen in die Stadt, aus Großbritannien, Belgien oder Frankreich. „Für die Kunden macht der Mix an Geschäften den besonderen Reiz aus“, sagt Uwe Klein, Geschäftsführer des Einzelhandels- und Dienstleistungsverbands Köln. Besucher können in der Innenstadt die Wege zu Fuß zurücklegen und sind nicht auf das Auto angewiesen. Zwischen Schildergasse und Ehrenstraße gibt es sowohl kleine Läden als auch internationale Ketten.

Die Schildergasse ist mit 12 115 Besuchern pro Stunde eine der meistbesuchten Shoppingmeilen Deutschlands. Die flippige Ehrenstraße hat in den letzten Jahren an Ansehen eingebüßt. Viele der kleinen alternativen Läden mussten aus wirtschaftlichen Gründen schließen, Filialisten rückten nach. „Das Belgische Viertel mit seinen individuellen Geschäften scheint in ihre Fußstapfen zu treten“, sagt Klein.

Köln hat ein Einzugsgebiet von etwa vier Millionen Menschen. „Das zieht Einzelhändler an“, sagt Klein. Muss ein Geschäft schließen, stehen die Interessenten schon Schlange, trotz der hohen Mieten von bis zu 250 Euro pro Quadratmeter. „In der Kölner Innenstadt herrscht eine ungebrochen starke Nachfrage von Filialisten nach Einzelhandelsflächen“, sagt Uta Hummel von der Ratingagentur Feri. „Besonders groß ist der Ansturm auf großflächige Ladenlokale.“ Feri bewertet Immobilienmärkte und schätzt Potenzial und Risiko für Anleger ein.

Außerhalb der Innenstadt ist von diesem Interesse jedoch nichts mehr zu spüren. „Die Nebenlagen geraten unter Druck“, sagt Hummel. „Dort stehen zunehmend Ladenlokale leer.“ Schwieriger wird die Situation auch durch Kaufhäuser auf der grünen Wiese. „Wenn ein Verkaufsriese wie Ikea mit Innenstadtsortiment vor die Tore der Stadt zieht, wird das auch Auswirkungen auf den Einzelhandel im Zentrum haben“, sagt Klein.

Anne-Christin Gröger

Quelle: Financial Times Deutschland

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