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Im Sog des Abschwungs

Posted By Katrin Berkenkopf On 9. Dezember 2009 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

Ist ein Großkonzern bankrott, sind viele Zulieferer in ihrer Existenzgefährdet

Das Außergewöhnliche an der derzeitigen Wirtschaftskrise ist die hohe Zahl von Pleiten bei großen Unternehmen. Während die Zahl der Insolvenzen 2009 keinen neuen Rekord erreicht, gibt es einen Höchststand beim Volumen offener Forderungen aufgrund von Zahlungsunfähigkeit. Sie werden nach Berechnungen des Kreditversicherers Euler Hermes bei rund 58,5 Mrd. Euro liegen. Für das nächste Jahr erwarten die Experten einen deutlichen Rückgang beim Forderungsvolumen, aber erneut mehr Zusammenbrüche.

Die Wirtschaftsauskunftei Creditreform geht für 2009 von 33 800 Pleiten aus, Euler Hermes von 34 400. Das wären gut 15 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Anstieg ist damit aber deutlich geringer, als von dem Versicherer noch im Frühjahr prognostiziert. Damals ging er von einer Zunahme um 19 Prozent aus. „Wir sehen eine deutlichere Aufhellung der wirtschaftlichen Entwicklung, aber das ist immer noch ein erheblicher Zuwachs“, sagt Chefvolkswirt Romeo Grill. „Das Kurzarbeitergeld ist ein Element, das viele Firmen aufrecht hält und sie vor der Insolvenz bewahrt“, ergänzt Uwe Kniehs, Sprecher von Euler Hermes.

Auffällig in diesem Jahr war die hohe Zahl an Großpleiten von Arcandor bis zu Qimonda. Rund 200 Firmen mit einem Umsatz von mehr als 50 Mio. Euro meldeten Insolvenz an, das waren drei Mal so viel wie 2008. „Eine Großinsolvenz kann in der Folge zu mehreren Hundert Insolvenzen bei Lieferanten und Subunternehmern führen“, sagt Michael Bretz, Sprecher von Creditreform.

Für 2010 erwarten alle Experten einen Rückgang bei den Großpleiten. Damit sinkt auch die Summe der offenen Forderungen. Euler Hermes geht von einem Rückgang auf 45 Mrd. Euro aus. Das wären aber immer noch mehr als doppelt so viel wie in 2008 – da waren es 22 Mrd. Euro.

Insolvenzverwalter glauben, dass die Rettung vieler Unternehmen einfacher wäre, wenn sie den Antrag auf Insolvenz früher stellen würden. In seiner zuletzt hierzu durchgeführten Umfrage stellte Euler Hermes fest, dass nach Meinung von Insolvenzverwaltern noch immer 66 Prozent der Anträge zu spät kommen. „Manager haben nach wie vor Angst um das Image ihrer Firma“, sagt Sprecher Kniehs.

Bei den Gründen für eine Insolvenz standen der Verzicht auf Entlassungen bei sinkendem Umsatz und fehlende Rücklagen an erster Stelle. An Bedeutung gewannen fehlende personelle Kapazitäten für Strategieüberlegungen. „Es fehlt oft ein Kopf, der sich abseits vom Tagesgeschäft Gedanken macht über die zukünftige Strategie“, erklärt Kniehs.

Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft, sieht bei kleinen und mittleren Unternehmen vor allem fehlende Liquidität als Insolvenzgrund. „Der Mittelstand steckt in einer akuten Kreditklemme.“ Ob die jüngsten Zusagen der Banken daran etwas ändern werden, bezweifelt er. Überfällige Abschreibungen werden die Möglichkeiten zur Kreditvergabe bei den Finanzinstituten weiter einschränken, sagt Ohoven. Sollte sich die Wirtschaft tatsächlich erholen, wachse zudem der Finanzbedarf der Firmen weiter. „Ich befürchte daher, dass die Kreditklemme die einsetzende Erholung ersticken kann.“

Katrin Berkenkopf

Quelle: Financial Times Deutschland


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