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Wenn Gläubiger zu Eigentümern werden

Posted By Friederike Krieger On 15. April 2010 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

Debt-Equity-Swaps können Firmen vor der Pleite retten. Die Umwandlung vonSchulden in Anteile birgt aber auch viele Tücken

Von Friederike Krieger

Mit voller Wucht traf die Krise den nordrhein-westfälischen Automobilzulieferer Honsel. Der Umsatz brach um bis zu 50 Prozent ein. Zudem lasteten 510 Mio.Euro Schulden auf der Firma. Der Private-Equity-Fonds Carlyle hatte das Unternehmen 1999 gekauft und 2004 an die Beteiligungsgesellschaft Ripplewood Holdings Japan International (RHJI) weitergereicht. Wie bei Geschäften von Finanzinvestoren oft üblich, musste Honsel den Kaufpreis durch die Aufnahme neuer Schulden finanzieren. „Das war eine enorme Zinsbelastung“, sagt eine Honsel-Sprecherin.

Ende 2008 zog die Firma die Reißleine und setzte sich mit Gläubigern und Anteilseignern zusammen. Heraus kam ein Debt-Equity-Swap. Die Kreditgeber unter Führung der Hedge-Fonds Oaktree und Bluebay verzichteten auf rund drei Viertel ihrer Forderungen und erhielten 49 Prozent der Firmenanteile. RHJI schoss 50 Mio. Euro Eigenkapital nach und behielt mit 51 Prozent die Mehrheit am Zulieferer. „Der Swap hat uns Luft verschafft“, sagt die Sprecherin.

Die Umwandlung von Schulden in Geschäftsanteile hat schon viele Firmen vor der Insolvenz bewahrt. „Für ein Unternehmen, das seine Verbindlichkeiten selbst nicht mehr bedienen kann, ist ein Debt-Equity-Swap meist das einzige Mittel zur Entschuldung“, sagt Werner Meier von der Anwaltskanzlei Cleary Gottlieb Steen & Hamilton. Auch für den Gläubiger hat der Swap Vorteile. „Wenn es dem Unternehmen wieder besser geht, kann der Investor seinen Anteil mit Gewinn verkaufen“, erläutert Meier. Finanzinvestoren erwerben sogar gezielt notleidende Kredite, um damit in Firmen einzusteigen.

Einfach ist der Swap bei einer GmbH: Die Gläubiger erhalten im Gegenzug zum Schuldenverzicht von den Gesellschaftern Unternehmensanteile. Komplizierter wird es bei börsennotierten Konzernen – wegen der Vielzahl der Aktionäre. „Hier müssen regelmäßig erst neue Anteile im Rahmen einer Kapitalerhöhung geschaffen werden“, erklärt Georg Streit von der Anwaltskanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek. Die Gläubiger bringen ihre Forderung als Sacheinlage in das Unternehmen ein und erhalten im Gegenzug frische Aktien. Das benötigt oft mehrere Monate Vorlaufzeit. Das Unternehmen muss nicht nur die Altaktionäre zur Hauptversammlung rufen, um die Kapitalerhöhung zu beschließen. Auch die Forderungen der Gläubiger sollten in einem Gutachten bewertet werden. Ansonsten laufen die Kreditgeber Gefahr, dass der Insolvenzverwalter Geld nachfordert, sollte die Firma doch pleitegehen.

Das ist nicht die einzige Fußangel. Verzichten die Gläubiger nur auf einen Teil des Darlehens, wird der Rest automatisch als nachrangig eingestuft, das heißt, im Insolvenzfall drohen sie leer auszugehen. Zudem gibt es ungeklärte Steuerfragen. Wenn Fremdkapital in Eigenkapital umgewandelt wird, führt das beim Krisenunternehmen zu einem Gewinn. Es ist umstritten, ob die Firma diesen Sanierungsgewinn versteuern muss.

Deutsche Banken haben Debt-Equity-Swaps bisher eher gescheut. Wenn ein Kreditinstitut mehr als 50 Prozent an einer Firma hält, muss sie in der Bankbilanz auftauchen. Das erhöht den Eigenkapitalbedarf. „Die meisten Banken waren bisher auch nicht sonderlich daran interessiert, eine Firma zu kontrollieren“, sagt Michael Pies von der Unternehmensberatung FTI Consulting.

Trotz der Hürden rechnet Anwalt Meier damit, dass die Zahl der Debt-Equity-Swaps zunehmen wird: „Für zu hoch verschuldete Unternehmen gibt es auf Dauer – abgesehen von der Insolvenz – meist keine Alternative zu einem Swap“, sagt er. Zudem sei wieder frisches Kapital verfügbar. „Nach einem Swap ist die Verschuldung zwar reduziert, aber für den laufenden Betrieb benötigt das Unternehmen gewöhnlich auch neue Betriebsmittelkredite“, erklärt er. Oft ist auch eine operative Restrukturierung nötig wie eine Neuorganisation des Vertriebs.

Quelle: Financial Times Deutschland


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