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Kleine Beträge im Blick

Posted By Friederike Krieger On 21. Juni 2010 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

Gewerbekredite bis 25 000 Euro sind wegen des Mangels an privaten Angebotenein ideales Betätigungsfeld für staatliche Förderbanken. Experten kritisierenallerdings die Zielgruppen und Zugangsbeschränkungen der Institute

VON Friederike Krieger

Beim Thema Mikrokredite denken die meisten Menschen automatisch an Entwicklungsländer wie Bangladesch. Dort gründete der Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger Muhammad Yunus in den 80er-Jahren die berühmte Grameen Bank, die den Armen im Land mit Kleinstdarlehen den Aufbau einer Existenz ermöglicht. Doch auch in Deutschland sind Mikrokredite bei Gewerbetreibenden begehrt.

„Viele Unternehmer sind sehr daran interessiert, deshalb sind diese Kredite für uns als Förderinstitut ein wichtiges Thema“, sagt Carsten Bredenkamp, Leiter der Abteilung Gründungs- und Wachstumskredite bei der Investitionsbank Berlin (IBB). Im Gegensatz zu Entwicklungsländern, wo die Darlehen in der Regel unter 1000Euro betragen, ist der Kreditbedarf hierzulande höher. Ein Darlehen unter 25 000Euro gilt in Deutschland als Mikrokredit. Im vergangenen Jahr haben die deutschen Förderbanken rund 8100 solche Kleindarlehen im Gesamtwert von 145 Mio.Euro vergeben. Einige Förderbanken übernehmen auch Ausfallrisiken für private Anbieter.

Leicht zu bekommen sind die Kleinstdarlehen bei normalen Geschäftsbanken allerdings nichtEuro. „An solchen Krediten ist die Hausbank nicht unbedingt interessiert“, sagt Bredenkamp. Kosten und Ausfallrisiko der Kleinkredite sind hoch, die Erträge hingegen gering.

Die IBB bietet seit Ende 2007 Mikrokredite für Berliner Unternehmer an. Rund 600 Kleindarlehen mit einem Volumen von 6,8 Mio.Euro hat sie bereits ausgezahlt, etwa an Gastronomen, Nagelpfleger oder Handwerker. Die Kredite unterscheiden sich nicht nur durch ihr geringes Volumen von herkömmlichen Darlehen, auch die Beantragung ist einfacher.

„Der Unternehmer muss sich nicht wochenlang hinsetzen und einen Businessplan erarbeiten“, sagt Bredenkamp. Bei der IBB muss er sein Anliegen nur mit einigen Stichpunkten im Kreditantrag umreißen – und im persönlichen Gespräch mit seinen unternehmerischen Fähigkeiten glänzen. Konventionelle Sicherheiten wie ein Sparbuch oder einen Lebensversicherungsvertrag benötigt der Unternehmer nicht. Die Zinsen für Mikrokredite sind bei der IBB vergleichsweise günstig. Für einen Kredit über 25 000Euro mit einer Laufzeit von fünf Jahren verlangt die Förderbank 5,65 Prozent Zinsen.

Bei privaten Mikrofinanzierern können sie bis zu 20 Prozent betragen, sagt Alexander Kritikos vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Von den Angeboten der Förderbanken ist er trotzdem nicht begeistert: „Die staatlichen Förderbanken wenden sich in erster Linie an Unternehmensgründer.“ Kritikos hat in einer Studie den Bedarf an Mikrokrediten analysiert. „Gründer haben eine große Anzahl anderweitiger Förderkredite zur Auswahl“, erläutert er. Wenn sie Kreditbedarf hätten, bräuchten sie häufig mehr Geld als 25 000Euro. „Es sind vor allem etablierte Unternehmer, die Mikrokredite für die Finanzierung von konkreten Projekten oder Geschäftserweiterungen benötigen“, sagt Kritikos. Zudem gebe es Zugangsbeschränkungen: „Manche Institute vergeben nur Kredite an Gründer, die zuvor arbeitslos gemeldet waren oder fördern nur spezielle Branchen“, kritisiert er.

Auch Rainer Büsser hat mit Mikrokrediten von Förderbanken schlechte Erfahrungen gemacht. Er wollte sich Anfang 2009 in Saarbrücken mit einer auf energetische Gebäudesanierung spezialisierten Firma selbstständig machen und benötigte 23 000Euro Startkapital. Der Kreditwunsch scheiterte an der Saarländischen Investitionskreditbank (SIKB). Büsser wollte eigentlich einen Mikrokredit der KfW über seine Hausbank beantragen. Doch die Förderbank bestand darauf, den Antrag als zwischengeschaltete Institution ebenfalls zu prüfen. „Die SIKB hielt das Geschäftskonzept trotz positiver Gutachten von der Handelskammer und einem Wirtschaftsprüfer nicht für tragfähig“, sagt Büsser.

Auch der Zuspruch des saarländischen Wirtschaftsministeriums und Nachbesserungen am Konzept änderten daran nichts. „Ich habe dadurch viel Zeit und Geld durch entgangene Aufträge verloren“, sagt Büsser. Er gab schließlich entnervt auf und lieh sich von seiner Familie 7000Euro. Damit gründete er im Oktober 2009 die Firma Thermanova. Jetzt hat er Partner gefunden, die sich beteiligen wollen. Zum 1. Juli 2010 soll aus der GmbH eine AG mit 50 000Euro Grundkapital werden.

Quelle: Financial Times Deutschland


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