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Kartellamt zapft neue Quellen an

Posted By Herbert Fromme On 21. Juli 2010 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

Bonner Behörde verdonnert Industrieversicherer zu Zinszahlungen auf Bußgelder

Von Herbert Fromme, Köln

Das Bundeskartellamt freut sich über eine Zusatzeinnahme: Die Behörde hat von 17 Industrieversicherern und 23 Managern, die 2005 wegen Kartellvergehen Bußgelder zahlten mussten, im Nachhinein Zinsen gefordert – teils geht es nach FTD-Informationen um 25 Prozent der ursprünglichen Bußgelder. Insgesamt hatte die Bonner Behörde die Unternehmen wegen unerlaubter Absprachen insgesamt zu Zahlungen von 151 Mio. Euro verdonnert.

Ein Sprecher des Amtes bestätigte die Aufforderung zur Zinszahlung, die potenziell alle Branchen betrifft, gegen die Bußgelder verhängt werden. „Die Zinspflicht beruht auf der siebten Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die im Juli 2005 in Kraft getreten ist“, sagte er. Sie beginne zwei Wochen nach Zustellung des Bußgeldbescheids und soll verhindern, dass Unternehmen Kartellverfahren hinauszögern – und dabei den Zinsgewinn auf die erst später gezahlte Bußgeldsumme einstreichen.

Die Versicherer dagegen sind empört, weil es sich ihrer Ansicht nach um eine rückwirkende Erhöhung der Buße handelt. Schließlich lagen die vom Kartellamt festgestellten Verstöße deutlich vor Einführung der Zinspflicht 2005.

Diesen Vorwurf weist das Kartellamt zurück. Die Zinsen seien ab diesem Zeitpunkt bis zur jeweiligen Zahlung berechnet worden – nicht aber für die Zeit vor der Gesetzesänderung. „Da gibt es gar keinen Spielraum, das Kartellamt muss diese Zinsen berechnen“, sagte der Kartellamts-Sprecher.

Das Kartellamt hatte den Industrieversicherern vorgeworfen, zwischen Juli 1999 und März 2003 wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen für die Sparten der industriellen Sachversicherung und der Transportversicherung getroffen haben. So hätten sie abgesprochen, Versicherungsbeiträge während eines laufenden Vertrages nicht zu senken. Bei mehrjährigen Policen wurden demnach Ausstiegs- und Anpassungsklauseln gegen die Kunden vereinbart. Außerdem sollten die Anbieter nicht mit niedrigeren Prämienangeboten der Konkurrenz unterlaufen werden, hatte das Kartellamt festgestellt.

Einen faden Beigeschmack hat der Vorgang für die Versicherer so oder so, denn: Die meisten der betroffenen Chefs sind auch weiter der Ansicht, dass sie nichts Unrechtes getan haben und die Vorwürfe des Kartellamtes juristisch nicht haltbar sind.

Deshalb legten viele Gesellschaften Einspruch beim 1. Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf ein. Als klar wurde, dass die Kammer kaum anders entscheiden würde als das Amt, zogen die Unternehmen die Einsprüche wieder zurück.

Das bedauern jetzt manche von ihnen. Denn laut Gesetz werden Zinsen auf ein Bußgeld nur dann fällig, wenn es vom Bundeskartellamt erlassen wurde. Legt dagegen ein Gericht die Buße fest, greift die Regelung nicht, so die vorherrschende Meinung. Allerdings streiten hierüber noch Juristen.

Quelle: Financial Times Deutschland


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