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Neue Bilanzen krempeln Assekuranz um

Posted By Herbert Fromme On 2. August 2010 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

Regelsetzer IASB legt Entwurf vor · Höhere Schwankungen im Ergebnis · KeinUmsatzausweis mehr in der Gewinnrechnung

VON Herbert Fromme, Köln

Nach jahrelangen Diskussionen hat sich das International Accounting Standards Board (IASB) in London auf einen Vorschlag für Bilanzregeln der Versicherer geeinigt. Sie führen künftig zu scharfen Ausschlägen in den Ergebnissen der Gesellschaften. Börsennotierte Versicherer hoffen aber auch, dass die neuen Vorschriften das Interesse von Investoren an der Branche steigern. Zurzeit sind Versicherungsbilanzen von Gesellschaften aus verschiedenen Ländern kaum vergleichbar.

Den Vorschlägen des IASB folgen in der Regel rund 100 Länder weltweit. Die Branche und andere Interessierte können noch bis Ende November Stellung nehmen. „Es bedarf noch erheblicher Arbeit, um das für die Versicherer weltweit und auch die deutschen Versicherer akzeptabel zu machen“, sagte Frank Ellenbürger, weltweit für die Versicherungsaktivitäten beim Wirtschaftsprüfer KPMG zuständig. Ein zentraler Punkt aus Sicht vor allem deutscher Versicherer: Nach dem Vorschlag werden in der Gewinn-und-Verlust-Rechnung nur noch Margen dargestellt, nicht mehr Prämieneinnahmen und Schadensaufwand. „Das ist zu kurz gesprungen“, monierte Ellenbürger. „Das wäre so, als ob Daimler keinen Umsatz mehr zeigt“, sagte auch Alexander Hofmann, Leiter des Versicherungsbereichs bei PwC Deutschland. „An diesem Punkt wird sich sicherlich etwas ändern.“

Nicht zu verhindern sind wohl dagegen die größeren Ergebnisschwankungen bei den Versicherern. Verantwortlich dafür ist eine zentrale Regeländerung: die Art und Weise, wie die Unternehmen künftig Verpflichtungen aus Versicherungsverträgen bilanzieren. Wird bei einem Autounfall ein Opfer so verletzt, dass der Haftpflichtversicherer des Verursachers jahrelang zahlen muss, geht er bislang so vor: Er schätzt aufgrund seiner Erfahrung die gesamte Schadenssumme und stellt den entsprechenden Betrag zurück. Dieses alte Prinzip des deutschen Handelsgesetzbuchs nutzen auch Versicherer, die schon nach International Financial Reporting Standards (IFRS) bilanzieren. Das Regelwerk enthält bislang keine Vorschriften für Schadensrückstellungen. Große Versicherer wie Allianz oder Munich Re nutzen noch die Möglichkeit, Schadenrückstellungen nach US-Regeln zu berechnen. Sie fallen dadurch etwas niedriger aus.

Künftig muss der Haftpflichtversicherer diese Rückstellung mit dem jeweils gültigen Marktzins abzinsen. Damit ist die Rückstellung zunächst einmal kleiner, da sie erst im Laufe der Jahre über die Verzinsung auf die kalkulierte Schadenssumme anwächst. Ändert sich das Zinsumfeld, muss der Versicherer anpassen. Dadurch kommt es zu den Schwankungen im Ergebnis. Bei der Lebensversicherung zinsen auch deutsche Versicherer heute schon ab, müssen aber diesen Zins während der Laufzeit des Vertrags nicht ändern. Auch hier wird das neue Regime zu drastischen Ergebnisfluktuationen führen.

KPMG-Mann Ellenbürger ist damit nicht zufrieden. „Da wird gesagt, die Versicherer müssten eben ihre Kapitalanlagen entsprechend anpassen“, sagte er. „Das kann ich nicht einsehen. Die bisherigen Prinzipien bei den Anlagen funktionieren gut.“ Er verlangt die Möglichkeit, durch Puffer in der Bilanz die Auswirkungen von Zins- oder Lebenserwartungsänderungen auf die Ergebnisse abzufedern.

Einen Erfolg hat die Assekuranz erreicht. In früheren Diskussionspapieren hatte das IASB noch verlautet, es wolle die Verpflichtungen aus Verträgen nach dem Transferpreis bemessen. Das wäre der Preis, den ein Unternehmen einem Dritten am Bilanzstichtag bezahlen müsste, um sich seiner Verpflichtungen aus einem Versicherungsvertrag zu entledigen.

Allerdings werden laufende Versicherungsverträge nur selten gehandelt, es gibt kaum einen Markt dafür – und damit auch keinen Marktpreis. Jetzt will das IASB die Bewertung laufender Verträge zum Erfüllungswert durchsetzen. „Das ist positiv und trägt dem Gedanken der Versicherung eher Rechnung“, sagte Joachim Kölschbach, IFRS-Experte bei KPMG.

Quelle: Financial Times Deutschland


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