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Wie Preisbrecher die Sanierung verhindern

Posted By Anja Krüger On 8. September 2010 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

Im Flottengeschäft hadern die Versicherer zwar mit roten Zahlen, können aber keine Preiserhöhung durchsetzen. Nun soll Schadenverhütung die Kosten und damitdas Risikoportfolio reduzieren

Es ist schon fast ein Ritual: Vor der Erneuerung der Versicherungsverträge für die Fahrzeugflotten von Unternehmen kündigen die Anbieter die Sanierung ihrer Bestände an, also schärfere Bedingungen und Preiserhöhungen. Clevere Makler und Einkäufer warten. Siehe da, kurz vor Toresschluss findet sich ein Versicherer, der doch noch die Preise senkt. Und mit der angekündigten Generalüberholung ist es wieder nichts geworden.

„Bisher ist die Sanierung im Markt nicht durchgesetzt“, sagt Rüdiger Barth, Abteilungsleiter Kfz-Versicherung beim Großmakler Aon. Die Anbieter liefern sich nach wie vor einen heftigen Wettbewerb. Viele fahren Verluste ein, die sie auch mit Kapitalerträgen nicht mehr ausgleichen können. „Das Flottengeschäft ist defizittreibend“, sagt Barth. Als besonders schadenträchtig gelten Zustellbranchen wie Paket- und Kurierdienste, Speditionsflotten oder Lieferanten etwa für Bäckereien, die viel in Großstädten unterwegs sind. In solchen Branchen müssen Großkunden mit Prämienerhöhungen rechnen.

Marktführer Allianz hat bereits vor zwei Jahren die Sanierung eingeleitet. „Wir haben bei mehrjährig im Schadenverlauf schlecht verlaufenden Flotten Bedarfsprämien verlangt“, sagt Peter Buchhierl, Fachbereichsleiter Firmen Kraft bei der Allianz. „Von Kunden, die dieses Angebot nicht akzeptiert haben, haben wir uns getrennt.“ Der Sanierungsdruck sei jetzt niedriger als in den vergangenen beiden Jahren. Zu den großen Anbietern im Flottengeschäft gehören außerdem die Talanx-Tochter HDI-Gerling, R+V, VHV, Axa und Zurich. „Wir haben im vergangenen Jahr begonnen, deutlich defizitäre Flotten anzufassen“, sagt Christian Hinsch, Chef von HDI-Gerling. Auch andere haben sich von Flotten getrennt, weil sie ihre Preisvorstellungen nicht durchsetzen konnten. Aber eine einheitliche Linie ist nicht zu erkennen, sagt Georg Bräuchle vom Makler Marsh. Nicht einmal in einem Haus: „Die Versicherer verhalten sich regional sehr unterschiedlich.“ Immer wieder gibt es Ausreißer mit sehr günstigen Angeboten. „Das ist aber taktisch und nicht strategisch getrieben“, sagt Bräuchle. Hat ein Regionaldirektor nicht genug Neugeschäft in den Büchern, kann er mit der Annahme von Flotten für schöne Absatzzahlen sorgen.

Unternehmen profitieren indirekt auch vom Preiskampf im Privatkundensegment. Denn kleinere Anbieter weichen auf das Geschäft mit Firmen aus, um Volumen zu generieren. „Versicherer aus der dritten Reihe zeichnen plötzlich Flotten“, sagt Bräuchle.

Die Versicherung von Fuhrparks ist anspruchsvoll. Die Makler erwarten, dass sich Newcomer ohne Erfahrung schnell eine blutige Nase holen und sich wieder zurückziehen werden. Das erleichtert den Großen dann, die Preisschraube anzuziehen. Für die Kunden sind höhere Prämien nicht nur eine Kostenbelastung. Sie sind auch ein kalkulatorischer Unsicherheitsfaktor. Zahlt ein Konzern mit einem Fuhrpark von 1000 Fahrzeugen 750 000 Euro Prämien im Jahr, macht eine Erhöhung von 20 Prozent immerhin 150 000 Euro aus – die das Budget aber nicht vorsieht. Aon bringt in diesen Tagen ein neues Angebot auf den Markt, das Einkäufer vor solchen bösen Überraschungen schützen soll. „Wir wollen für unsere Kunden eine langfristige Preisstabilität erreichen“, sagt Barth. Das soll mit einem konsequenten Schaden- und Kostenmanagement erreicht werden, von dem Kunde und Versicherer profitieren.

Das neue Angebot sieht vor, dass Experten die speziellen Risiken eines Unternehmens analysieren und Vorschläge zur Schadenverhütung machen. Bei einem Pilotprojekt haben die Fachleute von Aon zum Beispiel festgestellt, dass die Fahrzeuge eines Konzerns an einer bestimmten Abbiegespur immer wieder in Unfälle verwickelt werden. Durch die Änderung der Route konnte die Zahl der Unfälle erheblich gesenkt werden. Außerdem wollen die Spezialisten des Maklers die Folgekosten nach einem Crash reduzieren. Sie prüfen, ob bei der Beschaffung von Ersatzwagen oder mit dem Wechsel von Werkstätten Geld gespart werden kann.

Auch die Assekuranz versucht, die Kosten durch Vorbeugung in den Griff zu bekommen. Die Allianz hat 2006 ein Programm zur Schadenprävention von Flotten mit mehr als 100 Fahrzeugen eingeführt. „Wir schauen uns den Schadenverlauf der vergangenen drei Jahre an und selektieren Arten und Zeiten von Unfällen“, sagt Allianz Risk-Manager Werner Scherer. Über die Ergebnisse werden die Nutzer der Fahrzeuge informiert. Außerdem nehmen sie an Schulungen teil. Dabei werden sie nicht nur für mögliche Gefahren sensibilisiert. Sie lernen auch, energiesparend zu fahren – was bei erfolgreicher Umsetzung immerhin dazu führt, dass die Firmen zwischen fünf und zehn Prozent Kraftstoff sparen. „Wenn das Unternehmen das Programm ernst nimmt und die Fahrer mitziehen, kann die Zahl der Schäden um mehr als die Hälfte gesenkt werden“, sagt Scherer. Davon hat nicht nur der Versicherer etwas. Die nicht versicherten Kosten betragen nach seinen Angaben für Unternehmen nach einem Schaden im Schnitt bei einem Pkw 1500 Euro und bei einem Lkw 2000 Euro.

Anja Krüger

Quelle: Financial Times Deutschland


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