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Berlin springt Versicherern bei

Posted By Herbert Fromme On 6. Oktober 2010 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

Bundesregierung sagt Unterstützung wegen Niedrigzinsen zu // Ärger überBankenhilfen

Herbert Fromme , Berlin

Die Bundesregierung kommt der Versicherungswirtschaft aus Sorge um die Folgen der niedrigen Zinsen entgegen. Künftig können Lebens- und Krankenversicherer Gelder fünf statt drei Jahre ohne steuerliche Nachteile in den Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen an Kunden zu parken. Der Grund: Berlin hat Angst vor dem Japanszenario. Sieben große Lebensversicherer kollabierten dort in den 1990er-Jahren und Anfang dieses Jahrhunderts als direkte Folge der extremen Niedrigzinssituation. Nach Berechnungen des Branchenanalyse-Dienstes Map-Report hatte die Branche Ende 2009 einen Bestand derartiger Rückstellungen von 55 Mrd. Euro in den Büchern.

Damit reagiert Berlin auch auf die wachsenden Probleme der Lebensversicherer. Sie erhalten heute für neue Anlagen in deutsche Staatsanleihen weniger als 2,5 Prozent, haben aber ihren Kunden im Durchschnitt eine Garantieverzinsung von 3,4 Prozent zugesagt. Bislang kommen die Gesellschaften damit zurecht, weil sie viele lang laufende und höher verzinste Papiere im Kapitalanlagebestand haben – doch sie laufen nach und nach aus. „Eine dauerhafte Niedrigzinsphase würde die Erträge und die Erfüllbarkeit von Garantien erheblich belasten und hätte jahrelange Nebenwirkungen“, sagte Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen auf einer Fachkonferenz des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft zu Solvency II in Berlin. Die Finanzaufsicht BaFin werde zudem intensiv prüfen, welche Maßnahmen weiter nötig seien.

Bei den Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen handelt sich um Erträge, die den Kunden zustehen. Bevor die Versicherer die Summen den individuellen Kundenkonten gutschreiben – oder in der Krankenversicherung zur Auszahlung oder Senkung der Beiträge verwenden -, laufen sie durch die Rückstellungen. In dieser Zeit gelten die Gelder als Eigenmittel der Gesellschaften. Auf diese Art stellen die Kunden den größten Teil der Eigenmittel, die Eigner den kleineren Teil.

Jetzt werden den Kunden die Gelder später gutgeschrieben, die Versicherer können sie länger als Eigenmittel nutzen. Eine entsprechende Gesetzesänderung kündigte Asmussen an. „Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen können künftig bis zu fünf Jahre steuerneutral in der Rückstellung verbleiben.“ Das soll im Jahressteuergesetz geregelt werden, das sich in der zweiten Lesung im Bundestag befindet.

Die anwesenden Versicherer reagierten verhalten. Viele Vorstände sehen die Niedrigzinsen als eine Folge der staatlichen Bankenrettung. Asmussen verteidigte diese Hilfen, sie seien auch im Interesse der Assekuranz. „Der Zusammenbruch eines Kreditinstituts hätte sich negativ auf die Werthaltigkeit der Kapitalanlagen der Versicherer ausgewirkt“, sagte er. „Insofern dienen die teilweise kontrovers diskutierten, aber letztendlich alternativlosen Rettungsmaßnahmen der letzten beiden Jahre der Stabilisierung des gesamten Finanzplatzes und damit auch der deutschen Versicherungswirtschaft.“

Die Versicherer nutzten die Gelegenheit, bei Asmussen und Karel van Hulle, Referatsleiter Versicherungen bei der EU, ihre Sorgen über die ab 2013 geplanten neuen EU-Eigenkapitalregeln auszudrücken. Die zurzeit vorgesehene Umsetzung der Solvency-II-Regeln könnte das Ende der heutigen regulierten Altersvorsorge über Lebensversicherer bedeuten, sagte Jan Martin Wicke, Finanzvorstand von Wüstenrot & Württembergische. Ein zentraler Kritikpunkt sind die geplanten Vorgaben für die Einrechnung der sehr langfristigen Zinsentwicklungen, die sogenannte Zinsstrukturkurve.

Quelle: Financial Times Deutschland


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