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Das große Provisionshonorarberatungschaos

Posted By Herbert Fromme On 4. Februar 2011 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

Der Versicherungsvertrieb hat einen schlechten Ruf. Honorarberatungverspricht Abhilfe. Für Verbraucher lauern aber Fallen

Herbert Fromme

und Friederike Krieger

Das Schreiben an den mittelgroßen Versicherungsmakler im Westfälischen klang verheißungsvoll. Wenn die geschätzten Kollegen künftig Verträge in der privaten Krankenversicherung über den Vertrieb MEG in Kassel platzieren würden, könne man ihnen 14 Monatsbeiträge Abschlussprovision zahlen, teilte MEG mit. Die Westfalen winkten dankend ab – aber machten sich so ihre Gedanken. „Wer an Subvermittler 14 Monatsbeiträge zahlen kann, erhält selbst rund 18 Monatsbeiträge“, so der Geschäftsführer des Maklers.

Inzwischen ist MEG zwar Pleite. Aber der Vorgang zeigt, warum die Vermittlung von Versicherungen gegen Provision in Deutschland einen schlechten Ruf hat. Mit überhöhten Vergütungen, die immer die Verbraucher zahlen, suchen Lebens- und Krankenversicherer Geschäft und jagen sich Kunden ab.

Die Versicherer halten an Provisionsmodellen fest. Sie glauben, dass Kunden die meisten Policen nur dann abschließen, wenn ein Vertreter oder Makler sie aktiv verkauft. Kritiker monieren, dass die Provisionen zu Fehlsteuerungen und Falschberatung führen. Sie fordern die Honorarberatung ein: Der Kunde bezahlt dabei den Berater direkt – und nicht über den Umweg der höheren Beiträge.

Doch genau an dieser Stelle beginnt das große Durcheinander. Denn viele Menschen nennen sich Berater, sind es – rechtlich gesehen – aber nicht. Versicherungsvertreter vermitteln im Auftrag einer oder mehrerer Gesellschaften Verträge. Makler handeln im Kundeninteresse, leben dabei aber in der Regel auch von Provisionen. Auch „Berater“ von Vertrieben wie AWD oder DVAG sind rechtlich gesehen Handelsvertreter. Daneben gibt es in Deutschland tatsächlich den rechtlich definierten Berufsstand der Versicherungsberater – zurzeit sind aber bloß 184 von ihnen zugelassen.

Nur sie dürfen laut Gesetz ohne das Ziel einer Vermittlung Kunden beraten und dafür ein Honorar kassieren. Wenn Versicherungsmakler sich als Honorarberater ausgeben, sind sie in Wirklichkeit Honorarvermittler – das Honorar des Kunden wird fällig, wenn es einen Vermittlungserfolg gibt.

Stefan Albers, Versicherungsberater aus Montabaur, sieht die Honorarvermittlung sehr kritisch. „Es kann passieren, dass die Vermittler gleichzeitig Beratungshonorar vom Kunden und Provisionen vom Versicherer kassieren“, sagt er. Albers ist Präsident des Bundesverbands der Versicherungsberater.

Dazu kommt: Bei der herkömmlichen Vermittlung gilt, dass der Verkäufer bei früher Kündigung des Vertrags durch den Kunden mit einem Teil seiner Provision haftet und sie zurückzahlen muss. Bei der Honorarvermittlung schließt der Verbraucher zwei Verträge ab, einen mit dem Versicherer, einen mit dem beratenden Vermittler. Kündigt er den Versicherungsvertrag, muss er trotzdem das volle Honorar zahlen. „Wird der Vertrag früh gekündigt, bleibt der Versicherungsnehmer auf sämtlichen Kosten allein sitzen“, kritisiert der Berliner Fachanwalt Thomas Leithoff. Beim Modell Honorarvermittlung liege das Risiko einseitig auf der Seite des Kunden. „Es handelt sich bei der Honorarvermittlung um einen Etikettenschwindel.“

Doch der Trend zu neuen Vergütungsmodellen lässt sich kaum aufhalten. Dafür muss die Politik die Voraussetzungen schaffen, fordert Hans-Ludger Sandkühler, Chef des Bundesverbands mittelständischer Versicherungs- und Finanzmakler: „Wenn man Beratung gegen Honorar etablieren will, müsste die Bundesregierung gesetzlich klarstellen, dass auch nur derjenige, der gegen Honorar berät, sich überhaupt Berater nennen darf.“

Quelle: Financial Times Deutschland


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