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Talanx greift Regierungspläne an

Posted By Herbert Fromme On 9. Februar 2011 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

Konzern gegen Rückstellungsmethode für alte Garantiezinsen bei Lebenspolicen

Herbert Fromme , Köln

Deutschlands drittgrößter Versicherungskonzern Talanx legt sich mit dem Bundesfinanzministerium an. Es geht dabei um Pläne, von den Lebensversicherern zusätzliche Rückstellungen für alte Verträge mit hohen Garantieverzinsungen zu verlangen. „Die Pläne sind wohl nicht der Weisheit letzter Schluss und können dem Markt in fünf bis sechs Jahren große Probleme bereiten“, sagte Finanzvorstand Immo Querner der FTD.

Gleichzeitig wies er Aussagen von Marktteilnehmern zurück, die Talanx-Tochter HDI-Gerling Lebensversicherung habe Probleme, weil sie deutlich mehr als 200 Mio. Euro an zusätzlichen Rückstellungen aufbringen müsse. „Es handelt sich aus heutiger Sicht über mehrere Jahre um insgesamt weniger als 100 Mio. Euro“, sagte Querner. Die Gesellschaft habe damit keine Schwierigkeiten.

Das Finanzministerium und die Finanzaufsicht BaFin planen, von Versicherern schon 2011 zusätzliche Rückstellungen für Lebensversicherungsverträge zu verlangen, die von 1995 bis 2000 mit dem damaligen Garantiezins von vier Prozent abgeschlossen wurden. Den Entwurf einer entsprechenden Verordnung übermittelte das Ministerium dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft. Dessen Ausschüsse unterstützten das Vorgehen – mit den Stimmen der anwesenden Talanx-Vertreter. „Ich gebe gern zu, dass wir uns im Verband eher hätten äußern sollen“, sagte Querner.

Mit dem Schritt reagieren BaFin und Finanzministerium auf die niedrigen Zinsen, die Versicherer derzeit für ihre wichtigsten Kapitalanlagen in Anleihen erhalten. Die Erträge daraus könnten nach Ansicht der Behörde nicht ausreichen, um die garantierten Ansprüche der Kunden zu befriedigen. Die Aufseher treibt die Angst vor einem Japanszenario um: Dort brachen wegen der niedrigen Zinsen der 90er-Jahre sechs große Lebensversicherer und mehrere kleinere Gesellschaften zusammen, weil sie Garantien nicht mehr erfüllen konnten.

Die neuen Vorgaben gelten für klassische Lebens- und Rentenversicherungen mit vier Prozent Garantie. Kunden erhalten über die gesamte Laufzeit auf den Sparanteil der Prämie mindestens diese Verzinsung.

HDI-Gerling ist besonders hart betroffen von der Nachreservierungspflicht. Während Konkurrenten damals Kapitalversicherungen mit festem Ablaufdatum und Auszahlung des Gesamtbetrags anboten, verkaufte die frühere Gerling Leben schon viele private Rentenversicherungen. Sie laufen wegen der Rentenauszahlungsphase viel länger, entsprechend länger gilt auch die Zinsgarantie.

Die Wirkung wird durch eine Entscheidung aus dem Jahr 1996 verstärkt. Damals beschlossen alle Lebensversicherer, auch für schon viel früher bestehende Rentenverträge aus den 70er- und 80er-Jahren mit drei Prozent Garantie diesen Wert auf vier Prozent anzuheben. Das wirkt sich heute negativ für die aus, die damals viele Rentenverträge hatten.

Die Gesamtbelastung für die deutschen Lebensversicherer steht noch nicht fest, dürfte aber die Milliardengrenze deutlich überschreiten. Querner kritisiert das System: „Die Höhe der Nachreservierung wird einfach danach bemessen, wie der zehnjährige Durchschnittszins einer Referenzanleihe liegt – ob über oder unter vier Prozent“, sagte er. „Dabei spielt überhaupt keine Rolle, ob ein Lebensversicherer wie wir sehr konservativ angelegt hat und die Fälligkeit seiner Kapitalanlagen auf die Fälligkeit seiner Verpflichtungen abgestellt hat, also fristenkongruent investiert ist“, so Querner. Das sei nicht der richtige Umgang mit solchen Risiken. „Wenn die Zinsen wieder leicht steigen, kann das mittelfristig Probleme geben.“

Quelle: Financial Times Deutschland


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