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Das Ende der Behäbigkeit

Posted By Anja Krüger On 18. Februar 2011 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

Härterer Wettbewerb zwingt die Versicherer zu gewagten Strategien // Kosten müssen weiter runter

Versicherungsmanager müssen künftig mehr Wagnisse eingehen als bisher. Hoher Kostendruck und schärfere Aufsichtsregeln werden zu einer heftigen Konkurrenz in der bislang oft noch behäbigen Branche führen. „Es wird einen echten Wettbewerb um Geschäftsmodelle geben“, sagte Torsten Oletzky, Vorstandsvorsitzender der Munich-Re-Tochter Ergo beim Versicherungstag der FTD.

Echter Wettbewerb ist für die deutsche Assekuranz keineswegs selbstverständlich. Bis 1994 war der Markt stark reguliert, die Aufsicht hatte bei neuen Angeboten ein gewichtiges Wort mitzureden. „Nach der Deregulierung haben wir eine Reihe von Veränderungstrends gesehen“, sagte Oletzky. Zwar sei in den Unternehmen einiges geschehen. Viele Gesellschaften hätten Einheiten zentralisiert und Arbeitsabläufe gestrafft. Doch das reiche nicht. „Wir brauchen den Mut, Altes hinter uns zu lassen und Neues zu wagen“, sagte er.

Oletzky dringt auf das Ende der Einheitlichkeit. „Wir müssen die Homogenität der Branche, auf die wir lange stolz waren, hinter uns lassen“, forderte er. Heute unterscheidet sich die Unternehmensausrichtung der Versicherer zum Beispiel an der Markenstrategie. Ergo setzt auf die gleichnamige Marke und verzichtet auch auf bekannte Namen wie Victoria und Hamburg-Mannheimer.

Andere, wie der Generali-Konzern, verfolgen eine Mehrmarkenstrategie und sind mit einer ganzen Reihe von Namen wie Aachen Münchener oder Cosmos Direkt vertreten. Dritte setzen auf spezielle Zielgruppen und Vertriebswege.

Zu den Treibern einer neuen Wettbewerbskultur zählt Oletzky die neuen EU-Eigenkapitalregeln Solvency II, die ab 2013 eingeführt werden sollen. „Hinter vorgehaltener Hand heißt es immer, das darf doch keine Auswirkungen auf das Geschäftsmodell haben“, schilderte Oletzky die Haltung vieler Manager aus den Vorstandsetagen der Assekuranz. Der Ergo-Chef teilt diese Auffassung ganz und gar nicht. „Man kann es doch nicht verantworten, dass man einen dreistelligen Millionenbetrag in Solvency II steckt und das keinen Einfluss auf das Geschäftsmodell hat“, sagte er.

Oletzky hält die Frage, mit welchen Kosten die Versicherer ihre Kunden belasten, zentral für das Ansehen der Branche. „Wir müssen es schaffen, die Kosten zurückzuschrauben, weil wir sonst nicht zeigen können, dass die Kapitaldeckung überlegen ist“, sagte er und verwies damit auf das Umlageverfahren in der gesetzlichen Renten- und Pflegeversicherung. Die Versicherer sehen gerade die Altersvorsorge als Zukunftsmarkt und argumentieren mit der „Demografiefestigkeit“ der kapitalgedeckten Altersvorsorge. Trotz stark gekürzter künftiger gesetzlicher Renten ist die Nachfrage nach den Angeboten der Versicherer jedoch verhalten.

Dabei haben sie schon erheblich an der Kostenschraube gedreht. In der Lebensversicherung ist die Verwaltungskostenquote von 6,5 Prozent im Jahr 1980 auf 2,9 Prozent 2009 gesunken. Noch hat die Assekuranz nach Oletzkys Auffassung allerdings nicht alle Möglichkeiten für eine optimale Aufstellung genutzt. Das gilt etwa für die Auslagerung von Arbeitsschritten. „Mein Eindruck ist, dass wir als Branche hier noch nicht sehr weit sind“, sagte er.

Auch Stephan Maier, Geschäftsführer des Unternehmensberaters Schickler, sieht einen zunehmenden Wettbewerb der Geschäftsmodelle. Die Versicherer seien vergleichbar mit einer Herde, die bislang in eine Richtung zog, jetzt aber auseinanderläuft. „Es werden schwache Tiere verloren gehen, starke marschieren jetzt schon voran“, sagte er. Die große Masse im Mittelfeld wisse noch nicht, wohin, und lasse sich treiben. „Ein ,Weiter so` wird es aber nicht geben“, sagte er.

Anja Krüger

Quelle: Financial Times Deutschland


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