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BaFin emanzipiert sich von Ratingurteilen

Posted By Anne-Christin Gröger und Herbert Fromme On 15. Juli 2011 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

Versicherungsaufseherin Hahn verlangt von Assekuranz eigene Meinung //Ausnahme für Griechen-Bonds bis 2013

Die Finanzaufsicht BaFin sieht die Ratingagenturen und ihre Urteile zu Staatsanleihen kritisch, wenn es um die Kapitalanlagen von Versicherern geht. „Über die Qualität und Verlässlichkeit von Urteilen der Ratingagenturen kann man gerade nach der letzten Finanzkrise streiten“, sagte Gabriele Hahn, seit Februar Chefin der Versicherungsaufsicht bei der BaFin, im Interview mit der Financial Times Deutschland. „Niemand kann einfach mehr blindlings auf die Ratingagenturen vertrauen. Stärker als in der Vergangenheit müssen die Versicherer sich eine eigene Meinung bilden.“

Allerdings stehen dem strikte Regeln der BaFin entgegen, nach denen Versicherer Staatsanleihen bei einer deutlichen Verschlechterung des Ratings verkaufen oder umbuchen müssten. Hahn hat der Branche bereits Ausnahmen für griechische Papiere zugestanden. Möglich mache dies der europäische Stabilisierungsmechanismus, durch den die griechischen Papiere abgesichert sind, sagte sie.

Diese Sonderregel der BaFin soll so lange gelten, wie die Garantie läuft – also bis 2013. „Die Versicherer halten diese Anleihen in der Regel bis zur Fälligkeit“, sagte Hahn. „Wir berücksichtigen, was die Politik an Maßnahmen ergreift, um Risiken zu minimieren, die von den Ratingagenturen möglicherweise sehr pointiert gesehen werden.“ Doch eine Pauschalbefreiung für Staatsanleihen anderer Länder soll es nicht geben. „Wir schauen uns jeden Einzelfall an und entscheiden dann.“

Hintergrund sind die strengen Anlagevorschriften der Aufsicht für das gebundene Vermögen, das früher Deckungsstock genannt wurde. Dieses Vermögen deckt die Ansprüche von Kunden gegen Versicherer im Insolvenzfall ab. Papiere, die schlechter als „B-“ oder „B3“ geratet sind, sind hier in der Regel verboten. Senken die Agenturen die Bewertung von Papieren entsprechend, müssen die Versicherer sie verkaufen oder sie in andere Bestandteile ihres Vermögens verschieben – wenn die BaFin ihnen keine Ausnahme gestattet. Bei griechischen Papieren ist die deutsche Assekuranz nur mit knapp 3 Mrd. Euro in Staatsanleihen engagiert, in anderen Krisenländern sind die Summen viel höher. Deshalb ist eine großzügige Haltung der Aufsicht für die meisten Gesellschaften sehr wichtig.

Die zunehmende Skepsis über die Ratingagenturen in der Finanzaufsicht folgt wachsender Kritik bei Parteien, Regierungen und auf EU-Ebene an deren Arbeit. Die EU-Kommission will der Kritik Taten folgen lassen. EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier kündigte kürzlich an, die gesetzlichen Vorgaben für Ratings für die Risikogewichtung in den Liquiditäts- und Eigenkapitalvorschriften für Banken zu verringern.

„Wir müssen unsere überzogene Abhängigkeit von Ratings reduzieren. Ratingurteile sollten schlicht eine Meinung unter vielen sein“, sagte Barnier Anfang des Monats in Paris.

Stattdessen sollten die Unternehmen verstärkt den eigenen Bonitätsanalysen vertrauen. Barnier zufolge könnte diese Neuerung bereits in die Umsetzung der Eigenkapitalvorschriften Basel III einfließen. Auch in den zurzeit stattfindenden Diskussionen über Solvency II, das neue Aufsichtsregime für Versicherer, dürfte das eine Rolle spielen. Allerdings gibt es auch zahlreiche nationale Vorschriften, die gute Ratings zum wichtigen Kriterium für Anlageentscheidungen der Versicherer machen.

Interview19

Von Herbert Fromme

und Anne-Christin Gröger, Bonn

Quelle: Financial Times Deutschland


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