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HSH setzt auf Not anderer Schiffsfinanzierer

Posted By Patrick Hagen On 21. November 2011 In Archiv 2006-2012 | No Comments | Drucken

Weltmarktführer sieht sich trotz EU-Auflagen in Position der Stärke und plant Zukäufe // FTD-Gespräch mit HSH-Vorstandsmitglied Torsten Temp

Patrick Hagen , Hamburg

Die Staatsschuldenkrise führt dazu, dass sich deutsche und andere europäische Banken aus der Schiffsfinanzierung zurückziehen – das erwartet Torsten Temp, Vorstandsmitglied der HSH Nordbank. Er ist bei der weltgrößten Bank für Schiffskredite verantwortlich für dieses Segment. „Das Angebot an Schiffsfinanzierung von Bankenseite wird ganz sicher knapper werden“, sagte er der FTD.

Man beobachte, „dass viele ausländische Banken aufgrund der hohen Risiken aus Staatsanleihen in ihren Büchern massive Eigenkapitalprobleme bekommen“, sagte er. Um diese Probleme zu lösen, bräuchten die Banken frisches Geld oder müssten ihre Bilanzsumme reduzieren, so Temp. „Da nimmt man natürlich die Geschäftsfelder, die vielleicht in den letzten Jahren nicht mehr so wahnsinnig erfolgreich waren und viel Kapital binden, und Schifffahrt ist in dieser Hinsicht prädestiniert.“

Temp erwartet deshalb, dass ausländische Banken bald aus dem Geschäft aussteigen werden. „Aber wir werden auch deutsche Banken sehen, die den Markt verlassen müssen“, sagte er. Namen von Instituten wollte er nicht nennen. „Wenn sie heute italienische oder französische Banken fragen, ob sie Interesse an Schiffsfinanzierung haben, werden sie das eher mit ’nein‘ beantworten.“

Die HSH Nordbank will davon profitieren und erwägt sogar Zukäufe – obwohl sie ihr Schiffsgeschäft insgesamt auf Druck der EU und als Gegenleistung für geleistete Hilfen abbauen muss. Die Kreditverknappung führe zudem zu höheren Margen für die Bank. „Wir haben den großen Vorteil, dass wir die schlimmste Krise hinter uns haben“, sagte Temp. Man sei hervorragend durch den Stresstest der Bankenaufsicht gekommen und brauche kein zusätzliches Eigenkapital.

Die HSH Nordbank muss ihr Schiffskreditbuch bis 2014 auf 15 Mrd. Euro reduzieren. „Wir werden in diesem Jahr zur Erfüllung unserer EU-Vorgaben weitere Kredite in die Abbaubank verlagern“, sagte Temp. Zurzeit habe die Bank Schiffskredite von rund 19 Mrd. Euro in ihren Büchern, dazu kommen rund 11 Mrd. in der Abbaubank. In diesem Jahr hat die HSH Nordbank neue Kredite im Volumen von rund 500 Mio. Euro gezeichnet. Davon entfiel ein Großteil auf Kunden im Ausland, vor allem in Griechenland, Asien, Nordamerika und Skandinavien. Deutsche Kunden seien aufgrund von Kapitalproblemen zurzeit weniger an Bankfinanzierungen für neue Schiffe interessiert.

Die Kapitalschwäche vieler deutschen Reeder werde indes zu einer Konsolidierung in der Branche führen, erwartet Temp. Dabei wird auch Druck von Seiten der Banken eine Rolle spielen. „Das große Problem ist, dass eine freiwillige Konsolidierung in einer stark familienorientierten und kleinteiligen Unternehmerschaft sehr schwer umsetzbar sein wird.“

Die pure Not werde aber auch traditionsbewusste Reeder dazu bringen, sich für Zusammenschlüsse zu öffnen. „Spätestens wenn das letzte Hemd auf dem Tisch liegt, wird man aber doch darüber nachdenken, mit dem Nachbarn zu fusionieren“, sagte Temp. Er rechnet gleichzeitig mit einer steigenden Zahl von Zwangsversteigerungen und Schiffsverkäufen, weil die Banken Druck machen. „Wir werden ganz sicher auch Versteigerungen und Verkäufe sehen und damit auch eine Zwangskonsolidierung“, sagte er. Die HSH Nordbank werde aber nicht zu den Treibern einer solchen Entwicklung gehören. „Wir wollen Zwangsversteigerungen vermeiden und möglichst mit dem Kunden gemeinsam agieren“, sagte Christian Nieswandt, Leiter der Schiffsfinanzierungsabteilung. Bislang habe die HSH Nordbank nur eine einstellige Zahl von Versteigerungen veranlasst. Die Banken bevorzugen stille Verkäufe. Dabei suchen die Geldhäuser neue Eigentümer für die Schiffe. Das habe den Vorteil, dass man sich die Preise nicht ruiniere.

Viele Banken wollen schon heute ihre Schiffskreditportfolien verkaufen, so Temp. Das böte Chancen, und die HSH werde hier möglicherweise zukaufen. „Wir überlegen in der Tat, ob wir unser Portfolio nächstes Jahr ergänzen“, sagte er. Selber verkaufen werde die Bank nicht. Das sei auch angesichts der bankeigenen Bad Bank, der sogenannten Restructuring Unit, nicht nötig. Dorthin hat die HSH Kredite von Kunden verlagert, mit denen sie kein Geschäft mehr machen will.

Quelle: Financial Times Deutschland


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